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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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ich schließlich, »so könnte es keine klügere und gütigere Amme bekommen. Aber ich bitte dich, sei vorsichtig – denn hat es seine Kraft erst wiedergefunden, wird es bösartig werden. Nie darfst du dich ihm allein und ohne Meister Quigley nähern.«
    Ich wandte mich an die versammelte Gesellschaft. »Nun, jetzt haben wir es gesehen. Fürwahr, es ist eine Furcht erregende Bestie, aber es braucht Pflege. Wir wollen es nun verlassen.« Ich beschirmte meine Augen vor der immer heißer brennenden Sonne. »Es ist nicht die rechte Zeit, draußen in der prallen Sonne zu stehen. Kommt mit mir in das Banketthaus in Hampton. Wir werden diesen Sommernachmittag verbringen, wie man Sommernachmittage verbringen soll.«
    Dieses spontane Nachmittagsvergnügen wäre die erste von Herzen kommende gesellschaftliche Geste, die ich seit Catherines … seit dem Winter machte. Bisher hatte ich solche Pflichten wie mechanisch erfüllt, immer in der Hoffnung, etwas dabei zu empfinden; heute aber sehnte ich mich danach, im eindringlichen Empfinden des Hochsommers zu schwelgen. Einen langen Nachmittag im Banketthaus zu verbringen – das Banketthaus war seit mehreren Sommern nicht mehr benutzt worden –, das gefiel mir. Es gefiel mir, ohne dass ich mich fragte, ob es richtig war, ob es mir helfen würde, ob die Ärzte es empfehlen würden. Es gefiel mir, wie es war.
    Das Banketthaus, von dem die Rede war, krönte den künstlich geschaffenen »Hügel« am hinteren Ende des Parks von Hampton. Anne hatte die Pläne in dem Jahr fertig gestellt, als Elisabeth geboren worden war, aber sie waren kompliziert und erforderten so viel Arbeit, dass der Bau ungefähr ein Jahr und das Wachstum der Bepflanzung noch länger gedauert hatte. Erst jetzt war es ganz so, wie wir es uns vorgestellt hatten, damals in jenem Sommer, als ich geglaubt hatte, Anne Boleyn werde immer an meiner Seite sein, und das Banketthaus werde ihr glockenhelles Lachen hören …
    Geister, Geister. Ich wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht, als wollte ich Spinnweben fortwischen. Sie versperrten mir alles, alles, umstrickten mich, trübten mir den Blick auf das, was vor mir lag.
    Der Hügel also: Auf einem Fundament aus Ziegelsteinen wölbte sich ein sechzig Fuß hoher Erdhaufen, den die Arbeiter zu einem künstlichen Berg zusammengetragen hatten. Er war jetzt mit einem Teppich von dichtem, feinem Gras bedeckt und mit Obstbäumen bepflanzt – Kirschen, Äpfel und Birnen wuchsen hier –, und Myrte, Buchsbaum und Lorbeer waren mit kunstgärtnerischem Geschick zu Tieren und anderen Gestalten getrimmt. Dazwischen verstreut waren eine Sammlung seltener Sonnenuhren, die aus den Klöstern stammte, und fröhlich bemalte Holztiere – Drachen, Löwen, Einhörner, Windhunde und Greife –, die Schilde und Fahnen für das königliche Wappen trugen. Der Weg zum Gipfel führte sanft ansteigend rund um den Hügel und war mit Gänseblümchen, Ringelblumen, Löwenmäulchen, Rosmarin, Kamille und Lavendel gesäumt. Der kiesbedeckte Pfad war so breit, dass drei oder vier Personen nebeneinander Platz hatten, und so zog sich die Gesellschaft hinter mir weit in die Länge.
    Auf dem Gipfel stand das sommerliche Banketthaus. Es war auf einem Steinfundament errichtet; die Wände waren aus hölzernem Spalierwerk. Schon rankten sich Kletterpflanzen und Blumen an den einladenden Leitern empor, sodass das Haus von grünlichem Licht und vom leisen Rascheln der Blätter erfüllt war, die wie ein kühler Filter das gleißende Sonnenlicht abhielten. Hier wollten wir den Nachmittag verbringen, uns an Erdbeeren gütlich tun und Verney trinken, einen süßen Weißwein.
    Ich hatte zum Hof geschickt: Einige Damen sollten sich zu uns gesellen. Die einzigen Damen, die noch bei Hofe waren, waren die Gemahlinnen meiner Ratsherren, einige, die offizielle Ämter innehatten, und ein paar von Catherines verbliebenen Kammerfrauen.
    Und sie kamen fast alle. Vielleicht hatten sie sich gelangweilt, vielleicht begrüßten sie auch die Gelegenheit, einen Sommernachmittag in Gesellschaft ihrer Männer zu verbringen. Brandons junge Frau Katherine, Joan Dudley, Anne Seymour, Edwards Gemahlin, und Mary Howard, Heinrich Fitzroys Witwe.
    Ich beneidete sie, all die glücklich verheirateten Ehepaare. Das war alles, was ich mir gewünscht hatte: ein treuer Ehemann zu sein, mit einem liebenden Weib fürs Leben. Warum war es mir versagt geblieben? Aber Neid ist verderblich, ja, er ist ausdrücklich verboten. Du sollst nicht begehren

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