Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
Vom Netzwerk:
deines Nächsten Weib … Aber ich begehrte ja nicht meines Nächsten Weib, ich begehrte sein Glück mit ihr. Und nichts von dem, was deines Nächsten ist. Also auch nicht sein Glück.
    Sie versammelten sich ringsum und nahmen ihre Plätze auf den gepolsterten Bänken ein, die dazu gedacht waren, zu Vertraulichkeit und ungezwungenem Rekeln zu ermuntern. Es gab keine zugewiesenen Plätze, kein Protokoll. Und man konnte umhergehen, wie es einem gerade beliebte.
    Dies war so weit entfernt von den festgelegten Maskenbällen, den verzwickt geordneten formellen Geselligkeiten, die ich in meiner Jugend bevorzugt hatte. Hier war es so behaglich wie ein mächtiges Lockern des Gürtels – was ich inzwischen auch immer mehr zu schätzen wusste. Jetzt bereute ich, dass ich so oft blind für das Bedürfnis anderer danach gewesen war. Denn damals wie heute hatte es fette alte Männer gegeben – mit steifen Gelenken und dicken Bäuchen, denen meine »Unterhaltungen« eine Qual gewesen sein mussten.
    »Willkommen im Banketthaus.« Mit einladender Gebärde stand ich auf. »Ein so prächtiger Tag und eine so prächtige Gesellschaft gehören zusammen. Wir haben Erdbeeren aus William Paulets Garten und auch von den Feldern oberhalb der Stadtmauer in der Gegend von Holborn. Wir haben Verney und Osney, Wein aus dem Elsass …«
    »Französischen Wein sollen wir trinken?« Thomas Seymour stand unvermittelt auf. Sein dichter, kastanienbrauner Haarschopf glänzte. »Sollten wir uns nicht schämen? Die Franzosen haben eine häretische Allianz mit den Türken geschlossen. Da sollen wir ihren Wein trinken? Ich sage Nein!« Er drehte seinen Becher um und kippte den anstößigen Wein auf den Boden.
    Betreten schaute die übrige Gesellschaft mich an. Seymour blieb stehen.
    »Setzt Euch, Thomas.« Ich nickte ihm zu. Dann wandte ich mich an die anderen. »Er hat Recht. Ich wollte nicht, dass Politik die Freuden dieses Nachmittags mit ihren Wolken überschattet, aber es scheint, wir sind von ihr umfangen, ob es uns gefällt oder nicht. Der Türke hat uns ein Krokodil geschickt und will, dass wir ihn in Europa willkommen heißen. Die Franzosen haben ihm geholfen, diese Gabe zu transportieren. Was sagt Ihr dazu? Sollen wir ihren Wein trinken?«
    Da gossen sie ohne Ausnahme ihren französischen Wein auf den Boden. Es klang wie eine Kompanie Bogenschützen beim Pissen.
    »Ihr habt meine Zustimmung«, sagte ich. »Doch nun werdet Ihr auf dem Trockenen sitzen müssen.« Ich lachte.
    »Englisches Wasser«, verkündete Seymour, »wird meinen Durst wohl löschen.«
    »Aye«, bekräftigte der Rest mit Donnerhall.
    Oh, wie herzhaft es ihnen über die Lippen kam! Feindseligkeit war angenehm in grüner Laube, wo Taten nicht vonnöten waren.
    »Und würdet Ihr gegen diese unheilige Allianz kämpfen?«, fragte ich. »Kann sein, dass es notwendig wird.«
    »Aye! Aye!« Sie brannten auf einen Krieg, wie ich es vermutet hatte, sehnten sich danach, sich einer großen Sache zu widmen, sich dafür zu tummeln. Und eine große Sache musste es sein, nicht kleinliche Grenzstreitigkeiten oder religiöse Zwistigkeiten. Der Türke war die Antwort auf ihre christlichen Gebete.
    »Dann werde ich auf Euch alle zählen, wenn der Tag kommt, da wir nach Frankreich übersetzen. So, das ist erledigt. Nun esst Erdbeeren.« Ich winkte ihnen.
    Balsam auf dem Gewissen, ein Abenteuer in lockender Zukunft, machten sie sich daran, den Nachmittag zu genießen.
    Allerdings nicht alle. Es gab etliche in meiner Umgebung, die einen Krieg mit Frankreich nicht wünschten; sie betrachteten ihn als törichte Verschwendung von Zeit und Geld, als Jagd nach einem überholten Traum. Es habe eine Zeit gegeben, meinten sie, da England und Frankreich ineinander verschränkt gewesen seien; damals sei es eine gangbare Absicht gewesen, große Teile Frankreichs zu erobern. Aber zu jener Zeit seien die Herzogtümer unabhängig gewesen, und die Bretagne, Burgund und Aquitanien hätten der französischen Krone keine besondere Gefolgschaftstreue geschuldet …
    »… genau wie damals, als Northumberland und die Pfalz von Durham eigene kleine Königreiche waren, und bevor sie sich vor Euch verneigen mussten«, sagte William Paget, der neben mir saß. »Der Staatssekretär«, wie ihn alle nur nannten, war ein sanftmütiger Mann, genau der Typus des »neuen Menschen«, den die Traditionalisten so sehr verabscheuten. Er brüstete sich nicht mit ruhmreichen Vorfahren oder ritterlichen Großtaten; tatsächlich empfahl

Weitere Kostenlose Bücher