Ich, Heinrich VIII.
müde.«
Im Schlafgemach standen zwei Betten: Mein gewohntes und ein kleineres, aus Walnussholz geschnitztes und mit Elfenbein eingelegtes, das ich für sie erworben hatte. Feinstes Linnen lag darauf, jungfräuliches Linnen, in dem noch niemand geschlafen hatte. Eine Decke aus weißer Wolle lag zusammengefaltet am Fußende.
»Für Euch, Madam«, sagte ich, und schmerzlich berührt sah ich die Freude, mit der sie des separaten Bettes ansichtig wurde.
»Ich gehe nun zur Ruhe.« Es war alles so formell – formeller noch als ein Staatsbankett. Ich setzte mich auf eine gepolsterte Bank am Fenster und begann, meine Kleider abzulegen. Erst das bestickte Seidenhemd, das ich mir für diesen meinen Hochzeitstag aufgehoben hatte. Dann das leinene Unterhemd mit den Schnüren am Hals. Jetzt war alles entblößt: mein vorgewölbter Bauch, bar jeden Korsetts. Ich warf ihr einen Blick zu, um festzustellen, ob sie mich beobachtete und was in ihrem Gesicht zu lesen war. Sie beobachtete mich tatsächlich, aber ihre Miene war … ausdruckslos. Als Nächstes streifte ich die Kniehosen und dann die Strümpfe ab. Nun waren auch meine Beine nackt, von bläulichen Adern überzogen wie eine Landkarte. Sie sollte alles sehen, sollte genau sehen, woraus ich bestand, alle meine Gebrechen. So blieb ich einen oder zwei Augenblicke lang vor ihr stehen, bevor ich feierlich mein Nachthemd überstreifte und dieses ruinierte Werk der Natur verhüllte, wie man eine obszöne Statue verhängt. Mit Mühe erklomm ich die Stufen und kletterte ins Bett.
»Ihr mögt Euch hinter dem Wandschirm entkleiden«, sagte ich und deutete auf den seidenbespannten Rahmen, der in einer Ecke stand.
»Nein.« Sorgfältig begann sie, ebenfalls ihre Gewänder abzulegen; ihre Bewegungen waren so anmutig und geschickt, dass es aussah wie ein Tanz. Aber ich sah nur einen Schimmer von Nacktheit, und er war so schnell vorüber, dass es eher quälend als beruhigend wirkte. Einen Augenblick später lag sie in ihrem Bett, und ihr Kopf ruhte auf dem mit Schwanendaunen gefüllten Kissen. Sie streckte die Hand aus und ergriff die meine.
»Wollen wir beten, mein Lord?« Bevor ich antworten konnte, entspann sich eine ausgedehnte Konversation mit dem Allmächtigen.
Es war ein enttäuschender Akt, ein beleidigender gar. Aber hatte ich den Freuden der Weiber nicht auf eigenen Wunsch abgeschworen? Was störte mich also an ihrem keuschen Benehmen?
Noch stundenlang lagen wir Seite an Seite, lauschten dem Juliregen und taten, als schliefen wir.
CXXIII
K ate übernahm die Position der Königin so natürlich, mühelos und feinfühlig, dass man denken konnte, es sei ein Leichtes, den Mantel der Königswürde anzulegen. Sie behielt ihre aristokratischen Gewohnheiten bei, fuhr fort, mit Freunden und Verwandten auf die hergebrachte Art zu korrespondieren, und forderte sie auf, ebenso freundschaftlich zu antworten, »als hätte Gott mich nicht zu dieser Ehre berufen«. Sie unterschrieb mit »Katherine die Königin, K. P.«, um sich – und die anderen – daran zu erinnern, dass sie noch dieselbe Kate Parr sei, die sie immer gewesen war.
Andererseits nahm sie als Königin das Vorrecht in Anspruch, Verwandte und Freunde mit Stellungen am Hofe zu beehren. Obgleich die Zahl dieser Leute größer war als je bei den Boleyns oder den Seymours, empfand ich dies doch nicht bedrohlich, denn die Parrs waren ohne Ausnahme eine so tüchtige und ehrbare Familie, dass ihnen Titel und Ehren wohl anstanden. Nie stand ihre Loyalität infrage, nie zeigte sich Eigennutz. Kates Bruder William wurde Aufseher der Grenzmarken; ihre Schwester Anne wurde eine Kammerherrin der Königin; ihre Stieftochter Margaret Neville und eine Cousine, Lady Lane, wurden Hofdamen.
Kate selbst gab ihren persönlichen Neigungen nur in zwei Dingen nach; das eine war harmlos, das andere weniger. Sie bestand darauf, jederzeit frische Blumen in Sichtweite zu haben, und so waren ihre Gemächer voll davon; sie beauftragte sogar den alten Gärtner, im Frühling und im Spätherbst Blumen in seiner Hütte zu züchten, sodass sie von Anfang Februar bis Ende November von Blüten umgeben sein konnte.
Das andere, was blühen sollte, war »die freie Diskussion im Auge des Herrn«. Dies lief darauf hinaus, dass sie einen religiösen Salon ins Leben rief. Es geschah so langsam, dass darin an sich schon Vorsichtsmaßnahmen und Sicherungen enthalten zu sein schienen. Nur Angehörige des Hofes oder deren nächste Verwandten durften teilnehmen, und
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