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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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wenn Verwandte es unter Segeln sehen. Vielleicht solltet Ihr …«
    »Aaaah!« Sie gab einen würgenden Laut von sich, und eine Hand krallte sich in ihre Kehle, während sie mit der anderen hysterisch hinausdeutete. Sie war wirklich anstrengend; kein Wunder, dass Weiber an Bord eines Schiffes keinen Zutritt haben. Verärgert wandte ich mich von ihr ab und schaute selbst wieder zur Mary Rose hinaus.
    Sie war … nicht da. Sie war weg, sie sank. Ich schaute hinunter, und sie legte sich auf die Steuerbordseite und versank in den grauen Wassern des Solent, während sich unter Deck erbarmungswürdige, grässliche Schreie erhoben. Schreie – die sogleich verstummten. Das schrille Kreischen, das über das Wasser hallte wie das Todesquieken von Ratten, verwandelte sich in ein groteskes Gurgeln, und das ganze Schiff glitt ebenso glatt unter Wasser wie mein Torgitter in sein Gehäuse. Nur zwei Masten ragten noch hervor. Männer klammerten sich in Panik daran fest, winkten, schrien.
    Die Mary Rose war verloren, verloren binnen eines Augenblicks.
    »Was ist geschehen?«, rief ich. Ich hatte den Kopf abgewandt, hatte mit Mary Carew gesprochen. Aber das hatte doch kaum einen Augenblick gedauert.
    »Das Schiff … krängte«, berichtete Kate. »Dann war es, als habe es jemand umgestoßen. Die Balance war schlecht; es kippte augenblicklich …«
    »Aber warum?« Es ging doch nur ein leichter Wind.
    »Es sah aus – wie von selbst.« Sie war ratlos. »Ich habe nichts bemerkt, was so hätte dagegendrücken können. Es war fast wie ein Betrunkener, der das Gleichgewicht verliert. Ein Betrunkener fällt nicht, weil man ihn stößt, sondern weil er betrunken ist. So schien es sich auch mit dem Schiff zu verhalten.«
    »Ein Schiff kentert nicht ohne Ursache!«
    »Dieses Schiff hat es getan«, beharrte sie.
    »Gott! Gott! Gott!«, kreischte Mary Carew; sie schien die Schreie ihres Mannes von dem gesunkenen Schiff zu hören.
    »Er ist nicht in Gefahr«, versicherte ich ihr. »Nur die Männer unter Deck sind – sie sind …« Ich konnte den Satz nicht vollenden. »Wer über Bord springen konnte, schwimmt jetzt. Ich kann sie sehen. Rettungsboote werden sie aufnehmen.«
    »George kann nicht schwimmen!«, weinte sie. »Er hasst das Wasser, er hasst es, dort zu sein …«
    Ich nahm sie in den Arm, denn nun konnte ich nichts mehr sagen, um sie zu trösten. Wenn der Vizeadmiral nicht zu denen gehörte, die sich an die Masten klammerten, dann war er verloren, wenn er nicht schwimmen konnte. Schon trieben zahlreiche Punkte an der Stelle des Unglücks. Tote? Oder Schwimmende?
    Hysterisch wollte sie sich über die Mauer stürzen. Ich zog sie zurück, und sie fing an, auf mich einzuschlagen, zerrte an meinen Kleidern, kratzte nach meinem Gesicht.
    »Warum sollt Ihr noch leben?«, kreischte sie. »Warum er« – sie deutete auf den Milizhauptmann – »und sie« – sie wies auf Kate – »und selbst sie« – sie warf einen Stein nach einer Möwe, die über uns kreiste – »und mein George nicht?«
    Ich winkte der Garde. »Bringt sie fort, Sie ist eine Gefahr für sich selbst. Sperrt sie ein.«
    Zwei große Hampshire-Gardisten nahmen sie in die Mitte und führten sie davon; ihre Arme waren wie ein Käfig.
    Auch ich hätte am liebsten geschrien und geweint. Die Mary Rose, mit sechshundert Mann, verloren. Und ohne einen Grund, ohne einen erkennbaren Grund, abgesehen von – Gottes Willen. Gott hatte seinen Finger ausgestreckt und meinen Stolz, mein wunderschönes Schiff, angestoßen, und es war gesunken. Eine Strafe? Eine Warnung?
    An der Art, wie Kate mir die Hand auf den Arm legte, erkannte ich, dass sie das Gleiche dachte. Die Masten des gesunkenen Schiffs deuteten auf mich wie die Schrift an Belsazars Wand. Aber was bedeutete die Schrift? Ich konnte sie nicht deutlich lesen. Oh, ich hatte sie so satt, diese hasserfüllten, unverständlichen Botschaften von Ihm …
    Die Great Harry schwenkte herum, vollführte eine tadellose Wende. Es hatte also nicht am fehlenden Wind gelegen und auch nicht an den mangelhaften Fertigkeiten des Kapitäns, sondern in der Bauart der Mary Rose. Aber wieso? Sie war dreißig Jahre lang seetüchtig gewesen. Was war ihr jetzt zugestoßen? Es war tatsächlich die Schrift an der Wand …
    Die lästigen französischen Galeeren provozierten die Great Harry; der schockierende Untergang des Schlachtschiffs Mary Rose machte sie kühn. Jetzt strömten unsere englischen Ruderbarken, Gegenstücke zu ihren Galeeren, hinaus und ihnen

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