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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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her zu wenden; dies bedeutete, dass ich nur mit denen sprechen konnte, die vor mir standen. So sprach ich mit Brandons Witwe Katherine, die sich, wiewohl tränenüberströmt, »in die Hand des Allmächtigen« zu fügen schien. Ich sprach mit meinen Nichten Frances und Eleanor: zwei hübsche Mädchen, und anscheinend gesund und intelligent. Sie waren verheiratet und hatten schon Kinder – anders als meine eigenen kinderlosen Bastardtöchter …
    Die Sonne strahlte zu den hohen Fenstern der Großen Halle herein. Ich setzte mich hin – in einer großen Trauerlaube, ganz mit schwarzem Tuch verhangen – und schaute dem Treiben zu. Ich fühlte mich selber tot; ein dumpfer Schmerz erfüllte mein ganzes Sein. Der Weg war nicht mehr weit, und ich musste ihn nun allein zu Ende gehen.
    Kate sprach mit Tom Seymour. Ich sah sie tief unter mir auf dem Boden der Halle. (Ob so ein Falke sieht?) Ich fragte mich, worüber sie wohl reden mochten. Ich schaute in ihr Gesicht, und es war ein Gesicht, das ich noch nie gesehen hatte. Sie liebte Tom Seymour.
    Ich wusste es, und ich konnte die Worte bei mir sogar aussprechen. Sie liebt Tom Seymour.
    Jetzt fühlte ich mich tatsächlich mit Brandon in der Krypta begraben. Alles hatte er erlebt, als getreuer Ritter … aber nie, nie hatte eine Frau, die er liebte, einen anderen Mann vor ihm und von Herzen geliebt. Er war ohne diese Wunde gestorben.
    Nun, unsere Wunden sind wir selbst.
    Ich erhob mich von meinem Sitz, sprach ein paar Worte zu der Gesellschaft und zog mich in meine Gemächer zurück.
    Doch zuvor sah ich seltsame Hörner aus den Mänteln der gedungenen Trauergemeinde sprießen, schimmernd und glühend.

CXXX
    A ll das hat sich vor mehr als einem Jahr zugetragen. Und was ist seitdem geschehen?
    Was Frankreich angeht, so diktierte die Vernunft einen Vergleich, obschon Gott weiß, dass ich weder für die Vernunft noch für die Franzosen etwas übrig habe. Aber einstweilen schien es ratsam zu sein, über irgendetwas zu verhandeln, und so ließ ich französische Gesandte nach London kommen und einen Friedensvertrag entwickeln. Das war nach Neujahr; es gab ein Fest zum Anlass der Unterzeichnung – allerdings eine matte, glanzlose Veranstaltung, verglichen mit ähnlichen Ereignissen in der Vergangenheit. Oh, wie feierten wir damals unsere Verträge! Ich erinnere mich an den Vertrag von London im Jahr 1518, als Maria mit dem französischen Dauphin verlobt worden war; Wolsey war so glücklich, und Katharina von Aragon so düster. Und dann … aber ich schweife ab. Ja, früher gab es strahlende Feste. Aber das Strahlen ist trüb geworden – oder meine Augen sehen das Hohle hinter all dem Glanz, und so erspare ich mir die Kosten der Teilnahme inzwischen überhaupt. Jedenfalls gestattete ich den Franzosen, Boulogne zurückzukaufen, für zwei Millionen Kronen, zahlbar über einen Zeitraum von acht Jahren. Für England ist es mehr wert, aber nur, wenn wir es wirklich verteidigen und auf einer dauerhaften Grundlage versorgen können. Ich hatte es versucht und war dabei gescheitert. Jetzt musste ich die Stadt aufgeben wie eine Frau, die ich nicht halten konnte.
    Frau. Kate … ach, Kate. Eine Frau, die ich nicht halten konnte. Doch genug davon.
    Meine Gesundheit bessert sich weiter. Ich bin ein bisschen schwerfälliger geworden, aber es geht wieder bergauf, und da mein Bein völlig genesen ist – keine Anfälle mehr! –, werde ich hoffentlich demnächst wieder mit meinen Übungen beginnen können und meinem Körper seine jugendliche Verfassung zurückgeben. Sie ist noch da, unsichtbar zwar, aber ich werde sie wieder zum Vorschein bringen, da meine Gebrechen hinter mir liegen.
    Obgleich ich wieder völlig gesund bin, arbeite ich doch täglich an meinem Testament und entwerfe den geheimen Protektorenrat für Edward, prüfe und erwähle Namen und verwerfe sie wieder. Es ist eine gewaltige Arbeit. Niemand soll von meinem Plan wissen. Ich lasse sie alle im Dunkeln. Manch überraschende Wahl habe ich schon getroffen! Ich bin schlauer als alle meine Ratsherren. Sie glauben, sie kennen mich, aber sie kennen mich nicht. Ich habe meine Papiere gut versteckt, in meinem … nein, ich werde es hier nicht niederschreiben. Aber ich gedenke die »Veränderer« von den »Bewahrern« im Zaum halten und ausgleichen zu lassen.
    Deshalb musste ich auch der Schlange den Kopf abschlagen, der Howard-Schlange, Henry. Er wollte sich um meinen Edward schlingen, ihn zu seinem Gefangenen machen. Giftiges, hässliches

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