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Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Titel: Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Bergmann
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Epidemie immer weiter ausbreitet. Mit unschönen Folgen. »Erfolgreiche Narzissten«, schreiben die beiden, seien ein bisschen »wie Flugzeugabstürze: Sie sind spektakulär, sie werden wahrgenommen und sie können ein Desaster sein«. 13
    Zum Beispiel in der Arbeitswelt. Die werde künftig – wenn man einem Beitrag der Süddeutschen Zeitung Glauben schenkt – »Extrovertierte, Exoten und Selbstdarsteller« bevorzugen. Die Autorin Angelika Slavik stellt allen Ernstes das US-Reality-Show-Sternchen Kim Kardashian als Vorbild vor und behauptet: »Ob es uns passt oder nicht: Beruflich werden wir künftig alle ein bisschen Kardashian sein. Der Job der Zukunft heißt Selbstdarsteller.« Hoffen wir, dass dies zumindest nicht in Krankenhäusern der Fall sein wird, bei der Feuerwehr, in Autowerkstätten, Maschinenbau- oder IT-Firmen, in der Flugsicherung und anderen Institutionen, auf die es wirklich ankommt. Oder dass die Selbstdarsteller entzaubert werden, bevor sie größeren Schaden anrichten können. Zu Hoffnung Anlass gibt eine Befragung von Personalchefs aus 460 Unternehmen im deutschsprachigen Raum durch die Unternehmensberatung Kienbaum (»High Potentials Studie 2011/2012«). Auf die Frage, warum hoch qualifizierte Berufseinsteiger scheitern, nannten die Personaler Selbstüberschätzung als häufigsten Grund (94 Prozent) und Unfähigkeit zur Selbstkritik (89 Prozent) als zweithäufigsten.
    Erfreulich, wenn solche Charakterschwächen auffallen und Konsequenzen haben. Christoph Bartmann, Mitarbeiter des Goethe-Instituts in New York und Autor des Buchs »Leben im Büro. Die schöne, neue Welt der Angestellten« ist da allerdings skeptisch. Er sieht in ihr das ideale Biotop für → Blender, weil sich der »Anteil der Öffentlichkeitsarbeit am Gesamtvolumen unserer Arbeit« dramatisch erhöht habe. Heute sei nicht nur Leistung, sondern vor allem die Darstellung von Leistung gefragt, auch Performance genannt. Einer, der diese Kunst beherrsche, sei der Büro-Fiesling Bernd Stromberg aus der gleichnamigen Serie. Was, fragt Bartmann, unterscheide eigentlich Stromberg »von dem ein halbes Jahrhundert älteren Heinz Erhardt als Komödien-Buchhalter Willi Winzig? Willi Winzig wusste von ›Performance‹ noch nichts: Er war input-orientiert und simulierte, wo erforderlich, Betriebsamkeit. Stromberg dagegen ist, auch wenn seine Performance durchwachsen ist, output-orientiert; er präsentiert selbst da Ergebnisse, wo keine Leistung war. Er weiß, dass Performance alles und alles Performance ist. Seine Vorgesetzten sind nicht zufrieden mit ihm, sie finden ihn ebenso peinlich, wie ihn seine Untergebenen peinlich finden, aber man sieht auch, dass sie gegen Stromberg nicht viel ausrichten können.« 14
    Wenn der Siegeszug des Promi-Prinzips dazu führt, dass bald die Strombergs regieren – dann gute Nacht. Denn auch in der Selbstinszenierungsgesellschaft behalten grundlegende ökonomische Gesetze ihre Gültigkeit. Unternehmen, die von Leuten dominiert werden, die sich gegenseitig demonstrieren, wie toll sie sind, werden untergehen.
Negative Auswahl
    Öffentliche Aufmerksamkeit ist ein prinzipiell knappes Gut. Wenn die Scheinwerfer auf bestimmte Menschen gerichtet werden, bleiben andere notwendigerweise im Schatten. Die Verteilung ist nicht zufällig. Wer nach der Devise »Mehr scheinen als sein« lebt, hat gute Chancen beachtet zu werden. Wer es andersherum hält, hat schlechte Karten. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn das Promi-Prinzip allein die Unterhaltungsbranche dominierte. Doch mittlerweile hat es sich, wie beschrieben, weit darüber hinaus verbreitet. Auch Politik, Wissenschaft, Sport und Ökonomie gehorchen zunehmend den Regeln des Showbusiness. So brachte das als seriös geltende Manager Magazin beispielsweise eine Story über die angebliche Macht von weiblichen Führungskräften in großen Medienunternehmen – und präsentierte dazu als Covergirl Maria Furtwängler. Dabei hat die Schauspielerin und Gattin des Verlegers Hubert Burda keine Funktion in dieser Branche. Was allein zählte, war ihr bekanntes Gesicht.
    Für Berühmtheiten ist es naheliegend, sich auf den eigenen Lorbeeren auszuruhen, weil schon allein der Status als Prominenter angenehm und lukrativ ist. Nur wenige reflektieren diese Stellung kritisch oder lehnen sie gar ab wie der Schauspieler Oliver Dittrich ( Dittsche ), der sich im Interview mit der Main Post wünschte: »Es möge mir nie widerfahren, dafür bekannt zu sein, bekannt zu sein. « Die

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