Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)
das bitte der Polizei.«
»Denen muss ich gar nichts sagen. Ich weiß, dass du heute Morgen auf dem Revier warst. Teagan hat es mir erzählt. Es liegt auf der Hand, dass du meinen Namen erwähnt hast, wenn sie hier anrufen. Was zum Teufel hast du vor?«
Sie hätte ihn am liebsten angeschrien und sich verteidigt, wusste aber, dass er ihr nicht zuhören würde, also versuchte sie vernünftig und vielleicht ein wenig herablassend zu wirken. »Sie hatten deinen Namen schon auf der Liste.«
»Es ist verständlich, dass du wütend bist, was anderes ist es, boshaft zu werden, Livia. Das ist nur destruktiv.«
Sie holte Luft. »Thomas, ich lege jetzt auf.« Sie riss sich zusammen, um das Telefon nicht auf den Tisch zu knallen, sondern es sanft zurückzulegen, während seine Stimme weiter Vorwürfe quäkte. Als das Telefon schließlich sicher auf der Station lag, griff sie nach einem Kugelschreiber und pfefferte ihn an die Wand.
»Guter Schuss. Noch mal.«
Sie drehte sich um und sah Sheridan in der Tür zu ihrem Büro lehnen. Ihre Kleidung und ihr Duft entsprachen dem Image der TV-Reporterin. Kelly stand mit schuldbewusstem Gesichtsausdruck neben ihr. Sheridan fischte einen schweren, silberfarbenen Kugelschreiber aus dem Stifthalter. »Hier, noch ein Schuss.«
Bei jeder anderen Gelegenheit wäre Liv der Aufforderung nachgekommen, doch nun konnte sie nur die Zähne zusammenbeißen. »Er kann mich am Arsch lecken.«
»Bloß nicht«, sagte Sheridan.
Liv musste lächeln. Sheridan und Thomas hatten sich nie besonders gut verstanden, auch wenn sie versucht hatte, es nicht allzu sehr zu zeigen. Kaum war er jedoch gegangen, nutzte sie jede Gelegenheit, um auf ihm rumzuhacken. Es war großartig! Sheridan war großartig. Sie hatte mit Abstand die schärfste Zunge von den drei Freundinnen. Als Kelly damals in Jasons Zimmer gezogen war, war Sheridan zur Wohngemeinschaft gestoßen. Liv war unter den gegebenen Umständen heilfroh über Sheridans beißenden Humor.
»Du siehst beschissen aus«, sagte Sheridan.
Das Lächeln wurde breiter. »Schön, danke. Ich dachte schon, ich sähe umwerfend aus.«
»Ich möchte nicht, dass du dir etwas vormachst.« Sie legte Liv einen Arm um die Schulter. »Wie geht es dir?«
»Bis jetzt war es ziemlich interessant.«
»Tee hat die Verwechslung mit dem Telefon erklärt«, sagte Kelly. »Ich habe Thomas bereits vor einer halben Stunde gesagt, dass ich eine Nachricht auf deinem Schreibtisch hinterlassen habe.«
Liv überflog den Stapel Merkzettel unter der hübschen, rosafarbenen Muschel, die Cameron im Sommer am Strand gefunden hatte. Dann sah sie Sheridan an. »Hast du mit Detective Quest gesprochen?«
Sie nickte. »Unser Polizeireporter hat erzählt, dass jemand aus diesem Gebäude überfallen wurde, also habe ich bei den Bullen angerufen. Sie hat aber weder etwas bestätigt noch etwas abgestritten, also habe ich hier angerufen.«
»Du willst eine Story, stimmt’s?«
»Ja.«
In ihren Worten lag nichts Schmeichelndes, sie gab es ohne Umschweife zu: Das ist mein Job, ich bin ehrlich zu dir.
Liv kannte Sheridans Geschichten aus der Redaktion und verstand ihre Haltung, verzog aber trotzdem das Gesicht. »Auf meiner Backe wächst eine Aubergine.«
Sheridan sah sie ein wenig entschuldigend an. »Ja, das sehe ich, aber der Überfall auf dich ist die Story des Tages, wir müssen sie bringen. Und ich habe mir gedacht, dass es dir vermutlich angenehmer wäre, wenn ich dir die Fragen stelle.«
»Musst du denn mit mir reden? Detective Quest meinte, das Schwein könnte zurückkommen.«
»Wegen dir?«
»Wegen wem auch immer. Er könnte es noch einmal versuchen.«
»Ein Grund mehr zu reden, meinst du nicht?«, sagte Sheridan. »Wir sollten die Frauen warnen, falls sich so ein Kerl auf den Parkplätzen herumtreibt. Dein Fall könnte dafür sorgen, dass andere Frauen es sich zweimal überlegen, bevor sie alleine zu ihrem Auto laufen. Außerdem sollten die Leute erfahren, dass es sich lohnt zu schreien oder seinen Schlüssel einzusetzen. Es könnte jemand anderem das Leben retten.«
Liv sah flüchtig auf ihre verletzte Hand. Sie hatte den Täter nicht aufhalten können, aber vielleicht konnte sie verhindern, dass jemand anderem etwas Ähnliches passierte. Auch das war eine Form der Vergeltung. »Könntest du andere Zeugen bitten, sich zu melden?«
Sheridan rieb sich kurz den Arm. »Natürlich. Alles, was du willst.«
Sheridan begann mit dem Interview auf dem Flur vor dem Büro von Prescott and
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