Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)
und munter sind.«
Sie dachte an die Schimpftirade, die sie im Krankenhaus auf ihn losgelassen hatte. »Tut mir leid, wenn ich Sie zusammengestaucht habe. Ich war … ein wenig außer mir.«
»Sie mussten eben Dampf ablassen.«
Sie lächelte ihn an. »Ich bin froh, dass ich Sie treffe, denn ich wollte mich wegen gestern noch einmal ordentlich bei Ihnen bedanken. Also … danke. Für Ihre Hilfe und das Krankenhaus und dass Sie mich überredet haben, Kelly anzurufen. Es wäre ein Fehler gewesen, nach Hause zu fahren.«
Er nickte kurz. Vielleicht hatte er das alles schon zigmal zuvor gehört. Vielleicht war es im Vergleich zu anderen Rettungsaktionen für ihn eine Kleinigkeit gewesen, ihre Beine zu bedecken und einen Krankenwagen zu rufen.
»Jedenfalls freue ich mich, Sie heute Morgen so munter zu sehen«, sagte er.
»Haben Sie etwas anderes befürchtet?«
»Es ist immer besser, wenn man auf Nummer sicher geht.«
»Oh«, sie schob den Riemen ihrer Handtasche höher auf die Schulter. Okay, Liv, du hast dich bedankt, jetzt kannst du gehen. »Ich habe heute Morgen noch einmal mit der Polizei gesprochen. Jetzt kümmern sich die Ermittler um die Angelegenheit.«
»Gut.«
»Ich habe mit einer gewissen Detective Sergeant Rachel Quest gesprochen. Sie sagte, sie kenne Sie.«
Sein Blick schien ganz kurz zu flackern. »Ja, ich kenne sie.«
»Sie hat sich nach Ihnen erkundigt und wollte wissen, woher wir uns kennen.«
»Danke.«
Liv verzog das Gesicht. Danke? Sie wollte ihn gerade danach fragen, als die Tür aufging. Ray kam mit einem Stift hinter dem Ohr und einer Hand auf dem massiven Schraubenschlüssel in seinem Werkzeuggürtel herein.
»Oh, hi, Livia.« Er sah überrascht und erfreut zugleich aus, als er sie sah.
Sie lächelte zaghaft, als sie sein ernstes Gesicht sah. »Hallo, Ray.«
Daniel mischte sich ein. »Ich muss jetzt gehen. Passen Sie auf sich auf, Livia.« Er lief die paar Schritte zu seinem Büro und ließ sie mit Ray stehen.
»Soll ich Ihnen irgendwas helfen? Sieht aus, als könnten Sie etwas Unterstützung gebrauchen.« Ray grinste sie freundlich an.
Sie zuckte innerlich zusammen. Er war ein netter Kerl und machte einen ordentlichen Job in den Büros. Aber man konnte ihm nur schwer entkommen, wenn er erst einmal zu reden begonnen hatte, und sie wollte nicht die nächsten zwanzig Minuten von ihm mit Beschlag belegt werden. »Danke, Ray, es geht schon.«
Wie er da so stand, nahm er fast mit seinem ganzen Körper den Türrahmen ein. Er schien zu einem Pläuschchen bereit. »Irgendwer hat erzählt, dass Sie mit Sheridan Marr befreundet sind.«
»Ja, wir waren zusammen an der Uni«, sagte Liv und ging an ihm vorbei.
Er ließ die Tür zufallen, sodass beide draußen standen. »Ich habe sie heute Morgen reingelassen.« Er klopfte auf die Tür des Notausgangs hinter sich. »Habe die Tür erst etwas später abgeschlossen, falls die Polizei noch was kontrollieren wollte.«
»Gute Idee.« Liv machte sich auf den Weg zur Auffahrt, als ihr wieder einfiel, was Mariella gesagt hatte. »Sie waren doch hier, als es passierte.«
»Mhm.«
»Ist Ihnen irgendjemand aufgefallen?«
»Nein, ich habe nur die Sirenen gehört und bin rausgegangen, um nachzusehen, was los war. Dann habe ich den Beamten gezeigt, wo die Überwachungskameras hängen.«
»Oh, alles klar, danke.« Vermutlich war es sein Job, die Kameras zu kontrollieren – er wohnte in einem Apartment oben und war für die Instandhaltung von drei oder vier Gebäuden an dieser Straßenseite verantwortlich.
Als sie gerade loslaufen wollte, fing er wieder zu reden an. »Ich habe Ihnen doch von den Rowdys erzählt, die sich immer nachts hier herumtreiben. Wissen Sie noch, ich habe Ihnen letzte Woche erzählt, dass sie wieder gewütet haben.«
Liv überlegte, ob er sich irgendwie dafür verantwortlich fühlte, was passiert war. »Der Kerl, der mich überfallen hat, war kein Rowdy.«
»Ich mache hier jeden Abend sauber. Ich könnte Sie zum Wagen begleiten. Das mache ich für ein paar andere Damen auch, wenn sie spät wegkommen.«
»Danke, Ray«, sagte sie und überlegte, wie sehr er wohl jemanden beschützen konnte. Er war um die fünfzig, trug ordentlich gebügelte Arbeitshemden und war viel zu freundlich. Vielleicht glaubte er ja, einen Angreifer durch gutes Zureden von einem Überfall abhalten zu können. Ihn mit Informationen über Putzpläne und Instandhaltungsdetails mürbe zu machen. Nein, das war gemein. Er kannte jeden in den Büros und war
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