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Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)

Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)

Titel: Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaye Ford
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den Zettel, der auf dem Beifahrersitz lag. Die vier Worte standen mitten auf dem Papier, waren klein geschrieben und hingekritzelt. Nein, sie war nicht grundlos in Panik verfallen. Der Mann mit der Wollmütze und den Fäusten war zurückgekehrt.
    Sie suchte in ihrer Tasche nach Kellys altem Handy und der Visitenkarte der Polizeibeamtin.
    »Detective Sergeant Quest«, meldete sich Rachel mit neutraler, aber unfreiwillig lauter Stimme am Telefon. Sie war irgendwo draußen und schrie, um den Verkehrslärm zu übertönen.
    Liv erzählte ihr von dem Zettel.
    »Wo sind Sie gerade?«, fragte Rachel.
    »Im Krankenhaus.«
    »Sind Sie verletzt?«
    »Nein, ich besuche meinen Vater.«
    Dem folgte eine kurze Pause. »Tut mir leid. Ich wusste nicht, dass es ihm so schlecht geht. Ich muss heute leider bis spät arbeiten. Könnten Sie den Zettel in einen Plastikbeutel stecken und ihn morgen ins Revier bringen? Ich schicke ihn ein und lasse ihn auf Fingerabdrücke untersuchen, versuchen Sie also, ihn so wenig wie möglich anzufassen.«
    Rachel klang, als bekäme sie ständig Anrufe wegen Angreifern und Drohbriefen. Und vielleicht stimmte das ja auch. Vielleicht brachte sie so schnell nichts mehr aus der Fassung.
    »Muss ich mir Sorgen machen?«, fragte Liv.
    »Bleiben Sie dran.« Rachel sagte irgendwas Unverständliches zu jemandem, dann hörte man ein großes Fahrzeug vorbeifahren. »Tut mir leid. Sie sollten auf der Hut sein. Nutzen Sie zu Hause alle Sicherheitsvorkehrungen, gehen Sie kein unnötiges Risiko ein, und wählen Sie den Notruf, wenn Sie sich Sorgen machen.«
    Sie wollte beschwichtigt werden, nicht weitere Sicherheitsvorschriften erhalten. Liv presste die Lippen zusammen und versuchte die Bilder des schwarz vermummten Mannes, der sich auf sie stürzte, auszublenden. »Okay.«
    »Hey, ihr da drüben«, schrie Rachel zu irgendwem. »Tut mir leid, Livia, ich muss jetzt gehen. Wir sehen uns morgen.«
    Liv klappte das Handy zu, schob den Zettel in ihre Tasche, sodass man ihn nicht sehen konnte, und sah sich auf dem Parkplatz um. »Gehen Sie nicht alleine an menschenleere Orte«, hatte Rachel auf dem Revier zu ihr gesagt. Es war nach eins, mitten in der Ruhepause der Patienten. Überall nur Autos und offene Fläche. Der Inbegriff von menschenleer.
    Ihr Auge pochte in der herrlichen Nachmittagssonne, als sie aus dem Wagen stieg, ihr Haar flog in der sanften Brise in Strähnen um ihr Gesicht. Das Parkhaus war etwa zur Hälfte voll, nur vereinzelt standen Autos herum. Eilig lief sie zum Eingang, stieß die Türen auf, tauchte in die gedämpfte Atmosphäre der Palliativstation ein und blieb einen Moment stehen, um wieder zu Atem zu kommen. Sie konnte ihrem Vater keinesfalls so ängstlich und unsicher entgegentreten. So was konnte er gar nicht gebrauchen, und sie wollte seine letzten Tage nicht auf diese Art und Weise mit ihm verbringen.
    »Mensch, was ist dir denn passiert?«, fragte Livs Lieblingskrankenschwester bestürzt.
    »Hey, Wendy. Ein kleines Missgeschick. Wie geht es ihm heute?«
    »Oh, er ist gut drauf. Richtig aufsässig.«
    »Genau so mag ich ihn.«
    Liv klopfte leise an die Tür, machte sie dann auf und sah unter dem Bettlaken seine ausgemergelte Gestalt. Sie lächelte ihm zu. »Hi, Dad.«
    Er beobachtete, wie sie durch das Zimmer ging, sich neben ihm auf das Bett setzte, und sagte lange nichts. Liv stützte ihre Arme auf die Matratze und wartete ab, während er ihr Gesicht, ihre Hand und dann wieder ihr Gesicht musterte. Als er endlich zu sprechen begann, klang seine Stimme leiser als gewöhnlich, war aber immer noch so heiser wie die eines Menschen, der sein ganzes Leben viel geschrien hat. »Ich hoffe, du hast auch was ausgeteilt.«
    Sie lachte auf und war froh, dass er zwar den Kampf gegen seinen Körper, aber nicht seine Einstellung verloren hatte. »Na klar. Der wird heute auch Schmerzen haben. Er hat bestimmt ein ordentliches Veilchen.« Sie hielt ihre verbundene Hand hoch. »Ich habe richtig zugeschlagen. Genau wie du es mir beigebracht hast.«
    Er nickte. Eine knochige Hand tauchte unter dem Leintuch auf, griff nach ihrer verletzten Hand und hielt sie wie ein Schraubstock umklammert. »Gutes Mädchen.« Sein Gesicht war stoisch wie immer, doch seine Augen waren feucht. Das war nicht nur die Feuchtigkeit aus den Tränenkanälen eines kranken Mannes. Liv schnürte es die Brust zusammen.
    »Als ich gestern Abend zu meinem Auto ging, bin ich von einem Mann überfallen worden.« Sie erzählte ihm kurz und knapp

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