Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)
Handynummer drauf, falls Sie außerhalb der Geschäftszeiten darüber reden möchten.«
Was glaubte der bloß, was hier los war? Welche rechtlichen Möglichkeiten konnte sie schon ausschöpfen, wenn sie den Übeltäter nicht einmal kannte oder identifizieren konnte? »Danke.«
Es war bereits nach acht Uhr, als Rachel Quest erschien. Sie rannte fast über den Flur. Sie schüttelte Livia die Hand, die versuchte, trotz der Schmerzen in ihrem Handknöchel nicht zusammenzuzucken, und blass lächelte, als Rachel sich bei ihr bedankte, weil sie auf sie gewartet hatte – wo zum Teufel hätte sie schon hingehen sollen? Rachel wollte sich erst einmal umsehen und dann mit ihr sprechen. Liv folgte ihr, blieb aber an der Bürotür stehen, während ein Beamter die Details durchging.
»Der Einbrecher ist durch den Eingang zur Straßenseite eingebrochen und bis zu diesem Büro vorgedrungen. Das Schloss wurde mit einem Brecheisen aufgehebelt, daraufhin wurde das Büro durchwühlt. An den Glassplittern im Flur lässt sich erkennen, dass die Eingangstür beim Verlassen zertrümmert wurde. Nichts deutet darauf hin, dass andere Büros auch betroffen sind.«
Während er das sagte, zog Rachel Handschuhe an, hob verschiedene Gegenstände hoch und legte sie wieder hin – einen Stuhl, den Aktenschrank, eine Schublade, den Computerbildschirm. Liv hörte mit verschränkten Armen zu und hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. Irgendwann reichte es ihr, und sie wollte gehen, als sie Daniel auf der anderen Seite des Empfangsbereiches entdeckte. Er hatte einen großen Kaffee und irgendetwas Warmes, süß Duftendes in einer Tüte bei sich.
»Ich bin schon auf dem Sprung«, sagte er zu ihr. »Dachte, Sie könnten ein Frühstück gebrauchen.« Er hielt ihr den Becher und die braune Papiertüte hin.
»Ist das für mich?«
»Sie sollten was essen.«
Rachel Quest kam zu ihr, sah erst auf das Essen und dann zu Daniel auf. »Daniel Beck.« Es klang mehr wie eine Aussage als eine Begrüßung.
»Rachel«, antwortete er eher ausdruckslos.
Die Polizistin sah auf ihre Uhr. »Du bist ganz schön früh da. Bis zu den Bürozeiten ist es noch ’ne ganze Weile hin.«
»Mein Büro öffnet, wenn es nötig ist. Genau wie deins.«
Rachel war einen ganzen Kopf kleiner als er und musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht zu sehen. Liv dachte, dass es leichter für sie wäre, wenn sie einen Schritt zurück machen würde, doch sie steckte stattdessen die Hände in die Hosentaschen, wies mit dem Kopf auf seine Essenslieferung und tat beeindruckt. »Ist das für Livia?«
»Ja.« Er reichte Liv die Tüte und lächelte. »Ich habe es auf meine Rechnung setzen lassen.«
Und diesen Monat bezahlte sie seine Rechnung. »Gute Idee, danke.«
»Ich wünschte, ich hätte auch Kollegen, die mir nach einem anstrengenden Morgen das Frühstück bringen«, sagte Rachel, als wollte sie in die Neckereien mit einstimmen, doch ein scharfer Unterton schwang mit. Nicht unbedingt gemein, doch sie schien auf etwas anzuspielen.
Was auch immer es war, Liv verstand es nicht. Aber sie sah, dass Daniel Rachel mit seinen dunklen Augen ansah. Vielleicht galt ihm das, vielleicht war es rein beruflich, sie hatten ja vorher zusammengearbeitet. Vielleicht ging es aber auch um etwas Persönliches.
»Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest«, sagte Rachel zu Daniel, zeigte auf zwei Stühle im Empfangsbereich und forderte Liv auf mitzukommen.
Bevor Liv ging, berührte Daniel kurz ihren Arm, senkte den Kopf und sagte leise: »Sie haben meine Nummer. Rufen Sie an, wenn Sie was brauchen.«
Als sie sich setzte, war er verschwunden. Rachel saß neben ihr und wartete, bis Liv einen Schluck Kaffee getrunken und das Schokoladencroissant aus der Tüte geholt hatte. Sie legte es beiseite, weil sie nicht wusste, ob sie es vertragen würde.
»Ich nehme an, Sie wissen schon, dass der Einbrecher es gezielt auf Ihr Büro abgesehen hatte.« Rachel zog ein Notizbuch heraus und fing an. »Was die beiden Notizzettel betrifft, gehe ich momentan davon aus, dass sie etwas mit dem Einbruch zu tun haben. Sowohl die Tatsache, dass Ihr Arbeitsplatz ins Visier genommen wurde, Sie hier im Parkhaus überfallen worden sind und auch die Zettel hier aufgetaucht sind, legen die Vermutung nahe, dass es irgendwas mit Ihrem Job zu tun hat. Ich möchte Ihnen also gerne ein paar Fragen zu Ihrer Arbeit stellen.«
Zehn Minuten lang beantwortete Liv alle Fragen, wobei ihre Unruhe ins Unerträgliche stieg. Rachel
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