Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)
immer noch beängstigend aus. Sie erzählte ihm nichts von den Drohbriefen. Er sah schon besorgt genug aus, außerdem hatte sie Angst, er würde sie bitten zu gehen, wenn er den Verdacht hatte, dass der Unfall mit ihr zusammenhängen könnte.
Sie hoffte nur, dass dem nicht so war.
Um halb vier Uhr morgens, als die Bestätigung kam, Sheridan sei so weit stabil und liege im künstlichen Koma, verließ Liv das Krankenhaus.
Die Lichter leuchteten noch immer in ihrem Reihenhäuschen, als sie nach Hause kam. Mit dem Schirm in der Hand lief sie durch die Zimmer und fiel dann ins Bett.
Ungefähr drei Stunden später wachte sie auf, schreckte japsend senkrecht im Bett hoch, streckte die Beine ängstlich aus dem Bett, um loszurennen. Doch das schrille Trillern neben ihr kam von ihrem Wecker neben ihrem Kissen, weil sie vergessen hatte, ihn abzuschalten. Ihre Augenlider waren verklebt, ihr Kopf zu schwer für die verkrampften Muskeln in ihrem Nacken. Sie war total erschöpft und aufgewühlt, aber zu erschüttert, um noch einmal einzuschlafen.
Sie duschte ausgiebig und heiß und versuchte, daraus ein wenig Kraft zu schöpfen. Dann ging sie in die Küche, machte sich eine Kanne Kaffee und starrte auf die Karte mit der Lilie, die auf dem Küchentresen in einer Plastikhülle lag, die sie gestern Abend noch gefunden hatte. Dann nahm sie das Telefon, wählte Camerons Nummer und versuchte fröhlich und unbeschwert zu klingen.
»Hi, Cam. Und, bereit für das Spiel?«
»Jau. Du solltest mal die neuen Schuhe sehen, die Dad mir gekauft hat. Sie haben grüne Streifen an der Seite. Der Mann im Laden hat gesagt, dass ich damit schneller laufe.«
Liv lächelte und blickte sehnsüchtig zu der Fotocollage am Kühlschrank. »Wow, das ist ja toll.«
»Ich versuche ein Tor zu schießen. Kommst du auch?«
Das war Thomas’ Wochenende mit Cameron, sie hatten ausgemacht, dass sie einander nicht stören würden. »Nein, diesmal nicht, Liebling. Aber ich drücke dir die ganze Zeit die Daumen.«
»Okay.«
Als Liv die Enttäuschung in seiner Stimme hörte, hätte sie ihn am liebsten durch den Hörer berührt und sich dafür entschuldigt, was seine Eltern ihm angetan hatten. »Ich rufe dich später an, dann erzählst du mir haarklein, wie es war.«
Sie putzte und räumte auf, dann lief sie ziellos durch das Haus. Ein wolkenloser Himmel blitzte durch die Vorhänge, trotzdem zog sie die Vorhänge nicht auf.
Durch kleine Fenster fiel Licht in die Garage, als streckte Gott drei Zeigefinger aus. Sie ging an den Umzugskartons vorbei und nahm sich vor, sie auszupacken und wenigstens zu versuchen, sich etwas häuslich einzurichten, um nicht mehr an Sheridan und die Drohbriefe zu denken. Aber sie wollte auch nicht an die Sachen denken, die in den Kisten waren.
Verdammt. Die Sonne schien, es gab viele bevölkerte Plätze draußen, an die sie an einem Samstagmorgen gehen konnte. Sie nahm die Autoschlüssel, ihre Handtasche und die Karte. Am sichersten war wohl das Polizeirevier.
Sie fuhr einen Umweg um den großen alten Park, sah wehmütig zur Laufbahn und kontrollierte, ob ihr ein Auto folgte.
An der Fußgängerampel bremste sie, ein Mann und eine Frau überquerten mit einem kleinen Jungen die Straße. Er trug Fußballklamotten und seine Stollenschuhe wirkten wie Spielzeuge an seinen Füßen. Er hielt seine Eltern an der Hand, schaukelte zwischen ihnen, und sie hoben ihn lachend hoch. Sie sah ihnen bis zum Bürgersteig nach, und als die Ampel auf Grün schaltete, bog sie nicht nach links zum Polizeirevier ab. Stattdessen fuhr sie weiter um den Park herum zum Fußballstadion. Zu Cameron.
Der Fußballklub lag am Ende einer Reihe lang gezogener Sportfelder in einem Meer von Grün und Asphalt – Tennisplätze, Rugbyfelder, Korbballfelder, Fußballfelder. An einem Samstag dort einen Parkplatz zu finden, war fast unmöglich, unzählige Kinder kamen mit ihren Eltern zu den Spielen. Liv fuhr an Reihen von Autos vorbei, die dicht hintereinander am Straßenrand standen. Sie sollte nicht hier sein, aber es waren unzählige Leute unterwegs. Thomas würde sie gar nicht sehen – und der Ort war voller Menschen. Zwei Fliegen mit einer Klappe.
Thomas ging immer auf die Tribüne, also lief sie zum Spielfeldrand. Dort standen überall jubelnde, kreischende Zuschauer, Leute klappten Stühle auf, Kinder rannten herum, Hunde zerrten an Leinen. Während sie sich ihren Weg durch die Menschenmenge bahnte und nach Camerons Team Ausschau hielt, spürte sie, wie sich
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