Ich kenne dein Geheimnis
nichts. Jetzt
wusste sie wieder, warum ihr der Name bekannt vorkam. Smeralda Mangano hatte Bruno Velati angerufen, weil sie unbedingt auf
die Gästeliste wollte. Sie hatte eine entscheidende Rolle in dieser vulgären Geschichte mit dem Abgeordneten gespielt. Bruno
hatte die Schauspielerin abgewimmelt, meinte er zumindest. Aber da hatte er sich wohl geirrt. »Es tut mir leid, Signora Mangano,
aber wie Sie sehen, ist das hier nicht der richtige Rahmen für ein privates Gespräch. Wenn es wirklich wichtig ist, rufen
Sie doch in etwa zehn Tagen |363| an und vereinbaren einen Termin mit meinem Sekretär.« Bei diesen Worten lächelte sie ihr Gegenüber kalt an. Smeralda wusste,
dass sie auf diesem Weg niemals einen Termin bekommen würde, und setzte deshalb alles auf eine Karte. »Ich habe Lupo gekannt.«
Ihre Worte klangen entschlossen.
Vivy versteifte sich und starrte sie an. Unter ihrer Schminke bildeten sich hektische rote Flecken.
»Wir haben uns geliebt und wollten heiraten.«
»Hören Sie auf, ich bitte Sie. Mein Sohn ist tot, und alles, was zwischen Ihnen war, ist mit ihm gestorben.«
»Nein, das stimmt nicht.«
Die Baronessa sah sie ungläubig an. Sie war verwirrt.
»Etwas von Lupo ist geblieben, etwas, das auch zu Ihnen gehört, Vivy.« Smeralda hatte Tränen in den Augen. »Ihre beiden Enkel«,
hauchte sie, dann versagte ihr die Stimme.
Vivy Sannazzaros Herz schien stillzustehen. Tränen füllten ihre Augen. Die beiden Frauen schauten sich an. Nach einer gefühlten
Ewigkeit kam Marco Tonioli auf sie zu. »Baronessa, kann ich Sie einen Moment sprechen?«
Vivy zuckte zusammen. Dann fasste sie sich wieder und nickte. Sie bewegte sich wie ein Automat.
»Kommen Sie bitte, hier entlang.« Vivy zögerte und wandte sich an Smeralda. »Ich erwarte Sie morgen um zehn in der Villa«,
sagte sie. Dann straffte sie die Schultern, hob den Kopf und folgte Tonioli. Vorbei an ihren frohgestimmten Gästen, die natürlich
nicht ahnen konnten, dass ihre Welt gerade auf den Kopf gestellt worden war.
Während des gesamten Interviews mit dem Regisseur Pupi Avati dröhnten Stimmen in Chiaras Kopf, und ihr war, als würde sie
in einen Strudel hinabgerissen werden. Widerstand war zwecklos. Plötzlich hatte eine Stimme, ob Mann oder |364| Frau, wusste sie nicht, »Feuer! Feuer!« geschrien, und Chiara hatte mit ihrem inneren Auge Smeralda Mangano gesehen, die mit
brennenden Kleidern zwischen den Pavillons umhergeirrt war.
Obwohl sie der Vision folgte, war ein Teil in ihr offensichtlich hellwach geblieben, denn als Pupi Avati seine letzte Frage
beantwortet hatte, brandete Beifall auf. Der Kameramann streckte ihr lächelnd den nach oben gereckten Daumen entgegen: Ein
Zeichen, dass das Interview gut gelaufen war. Leider erinnerte sich Chiara nur noch schemenhaft, dass der Regisseur einige
Geschichten aus seiner Jugend zum Besten gegeben hatte. Während sie sich noch herzlich bei Avati bedankte, bekam sie mit halbem
Ohr die Unterhaltung zwischen der Maskenbildnerin und dem Tontechniker mit: »Sie war seltsam heute, ist dir das auch aufgefallen?
Sie schien irgendwie neben sich zu stehen!«
»Das ist doch schon länger so.«
Chiara hatte genug gehört. »Ich gehe die Gastgeberin begrüßen«, sagte sie. Während sie sich zwischen den zahllosen Gästen
hindurchschlängelte, traf sie Cesco de’ Razzi: »Ciao, Cesco, Glückwunsch zu deiner gelungenen Organisation. Du hast dich mal
wieder selbst übertroffen.«
» Grazie , cara .«
Cesco küsste ihr die Hand.
»Ich würde auch gerne der Gastgeberin gratulieren … Eben habe ich sie noch gesehen, aber jetzt ist sie verschwunden.«
»Ich bin auch auf der Suche nach ihr – ein hoffnungsloses Unterfangen in diesem Durcheinander. Aber mach dir keine Sorgen,
wenn die Torte angeschnitten oder der Ball eröffnet wird, muss Vivy wieder auftauchen. Dann kann sie uns nicht mehr entfliehen.«
Cesco lächelte sie an, doch Chiara lächelte nicht zurück. Sie war unruhig. Plötzlich war auch Cesco verschwunden. Chiara drehte
sich um und fand ihn einige Meter |365| entfernt im Gespräch mit Gerry. Aber wer war der große, elegant gekleidete Mann hinter ihnen? Sie starrte ihn neugierig an,
in der Hoffnung, dass er sich umdrehte, so wie sie es als Kind oft erlebt hatte. Wenn sie damals fest an jemanden gedacht
hatte, passierte es oft, dass gerade dieser Mensch kurze Zeit später anrief. »Mit Magie hat das nichts zu tun«, hatte ihr
viele
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