Ich kenne dein Geheimnis
ersten Zusammentreffen an hatten beide von diesem Augenblick geträumt, und jetzt, da er endlich gekommen war, wünschten
sie, er würde niemals enden. Smeralda überließ sich ihren Gefühlen. In Bonadeos Armen wurde sie wieder Maria Catena, ein Mädchen,
das das Böse in der Welt noch nicht kannte und nur ein Ziel hatte: die große Liebe. In diesem Moment hatte sie sie gefunden.
»Unser Sohn ist kein Brandstifter! Zu so etwas wäre er gar nicht fähig, glauben Sie mir, Signor Tonioli! Er nimmt Drogen,
das stimmt … und er braucht ständig Geld, aber so weit würde er nicht gehen! Nicht um alles Geld der Welt würde er das Leben
anderer Menschen in Gefahr bringen … Das schwöre ich bei meiner Seele!« Giacomo Buzzi kauerte mit gesenktem Kopf und hängenden
Schultern auf dem Sofa. Neben ihm saß seine Frau Adelina mit rotgeweinten Augen und zerfetzte nervös ein Papiertaschentuch.
Marco Tonioli sah die beiden voller Mitgefühl an. Es tat ihm leid, dass er ihnen nicht helfen konnte. Die Buzzis waren rechtschaffene,
fleißige Leute, sie gingen jeden Sonntag zur Messe und lebten in einer bescheidenen, aber blitzsauberen Wohnung. Über ihren
drogensüchtigen Sohn Alberto sprachen |407| sie nur wenig. Er war wie ein Kreuz, das sie zu tragen hatten. »Unser Sohn liegt im Koma. Die Ärzte wissen nicht, ob er durchkommen
wird, und …« Giacomo Buzzi brach mitten im Satz ab und legte einen Arm um seine Frau, die wieder zu weinen begonnen hatte.
»Beruhige dich, ganz ruhig«, sagte er und reichte ihr ein frisches Taschentuch. »Entschuldigen Sie mich einen Moment.« Er
stand auf, holte eine Pillenschachtel und ein Glas Wasser. »Hier, meine Liebe, nimm das.« Er löste eine Tablette aus der Verpackung
und legte sie in die zitternde Hand seiner Frau. »Der Arzt hat ihr zwei pro Tag verordnet«, erklärte er Tonioli, während er
darauf wartete, dass sie die Pille in den Mund steckte, damit er ihr das Wasserglas reichen konnte.
Adelina schluckte das Medikament, sackte in sich zusammen und schluchzte haltlos.
Tonioli wusste nicht, was er sagen sollte. Er wandte den Blick ab und wartete, bis Adelina sich beruhigt hatte. Eine unangenehme
Situation. Seit dem ersten Drohbrief hatten sie die Schutzvorkehrungen drastisch erhöht und sogar eine externe Sicherheitsfirma
beauftragt. Trotzdem konnte der Brandanschlag nicht verhindert werden. Am Anfang waren die Werksangehörigen und ihre Familien
die Hauptverdächtigen gewesen, denn sie hatten freien Zugang zum Gelände und den Gebäuden. Alberto war der Polizei bereits
einige Male wegen kleiner Diebstähle aufgefallen, er schien der ideale Täter zu sein. Doch jetzt, im Gespräch mit den Eltern,
war Tonioli nicht mehr so sicher. Welches Motiv hätte Alberto haben sollen, das Magazin anzuzünden und sich dann eine Überdosis
zu setzen?
»Signor Tonioli!« Adelina war plötzlich aufgesprungen und hatte seine Hände gepackt. Sie drückte sie so fest, dass ihre Knöchel
weiß hervorstachen. »Jemand muss unseren Alberto |408| benutzt, seine Schwäche ausgenutzt haben. Vielleicht haben sie ihn unter Drogen gesetzt und dann ins Magazin 4 geschleppt,
das Feuerzeug und die zusammengerollte Zeitung danebengelegt, damit es so aussah, als sei er es gewesen. Signor Tonioli, diese
Möglichkeit dürfen Sie nicht ausschließen. Mein Sohn ist ein guter Mensch, das weiß ich.« Adelina sah ihn verzweifelt an und
drückte noch fester zu, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen.
»Entschuldigen Sie uns jetzt«, Giacomo Buzzi zog seine Frau von Tonioli weg und nahm sie sanft in den Arm.
»Entschuldigen Sie uns«, wiederholte er und schüttelte den Kopf. Tonioli gab ihm ein Zeichen, er solle sich keine Sorgen machen.
»Ich danke Ihnen, aber ich musste Sie befragen. Auch die Baronessa ist untröstlich.«
»Sie ist eine Heilige!«, sagte Adelina unter Tränen.
»Sicher. Bitte informieren Sie mich, wenn es Neues aus dem Krankenhaus gibt.«
»Aber natürlich. Die Baronessa und Sie sind stets willkommen«, antwortete Buzzi und begleitete Marco Tonioli zur Tür.
»Was meinst du?«, fragte Vivy.
Marco Tonioli klappte seinen Laptop zu und verschränkte die Finger. Er hatte gerade die Überwachungsvideos ausgewertet. Ihm
war heiß, und seine Augen tränten. Er stand unter Druck, die Zeit drängte.
»Ich weiß es nicht, Baronessa«, seufzte er und sah sie mit müden Augen an. »Was soll ich sagen?«
»Und woher sollte Alberto das Geld für die
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