Ich kenne dein Geheimnis
einen Soldaten aus ihm gemacht. Und das war der Dank?
Gigi Iacovone wartete in demütigem Schweigen. An Don Vitos Reaktion hatte er erkannt, dass sein Boss Spargis rätselhafte Worte
sehr genau verstanden hatte.
|435| »Unsere Freunde werden mit ihm und mir zufrieden sein«, Santanna betonte jedes Wort.
»Genau das hat er gesagt«, bestätigte Iacovone. Er hätte zu gern mehr gewusst, aber er wagte nicht, Don Vito nach einer Erklärung
zu fragen. Einige Sekunden lang sagte Santanna gar nichts. Spargi war wirklich ein Stück Scheiße. Die Nachricht war deutlich:
Er würde nur weiter mit ihm zusammenarbeiten, wenn die Familie informiert würde. Und das konnte nur eines heißen: Spargi hatte
begriffen, dass Vito auf eigene Faust weitermachen wollte. Es war in der Tat allein seine Idee gewesen, Vivy Sannazzaro zu
erpressen, genau wie er damals eigenmächtig entschieden hatte, Scila die Kinder wegzunehmen. Die Familie wusste nichts von
seinen Alleingängen. Wenn die Baronessa nachgeben würde, wäre die Übernahme des Weingutes nur noch eine Frage der Zeit. Für
immer. Vituzzu konnte es nicht zulassen, dass Spargi seine Pläne durchkreuzte.
»Du kannst gehen.« Santanna nahm einen zweiten Apfel aus dem Korb und warf ihn Iacovone zu. Der fing ihn auf und verließ die
Küche, während Vituzzu ausholte und das Messer in die Tischplatte rammte, wo es federnd stecken blieb.
Die Sonne stand bereits hoch über Terrasini. Heute war ein entscheidender Tag. In der mit Palmen gesäumten Straße reihte sich
ein Luxusauto an das andere. Die meist jungen, gut gekleideten Besitzer eilten die Freitreppe zur Villa hinauf. Sie atmeten
tief die frische Meeresbrise ein, in die sich der Duft der Pitosforohecken mischte, die das Anwesen umgaben.
Am Eingang wurden die Gäste von einer jungen Frau empfangen und in den Sitzungssaal gebeten, der von einem riesigen ovalen
Glastisch beherrscht wurde. Die Männer nahmen Platz und begannen sich leise zu unterhalten, während die junge Frau Espresso
und Mineralwasser servierte.
|436| Die Gespräche verstummten augenblicklich, als die »Schwarze Witwe« am Arm ihrer Enkelin Rosaly den Raum betrat. Die Frau trug
einen schwarzen Rock, einen schwarzen Rollkragenpullover, schwarze Strümpfe und schwarze flache Schuhe. Das linke Auge war
mit einer schwarzen Klappe verdeckt. So war sie immer gekleidet, egal, ob im Winter oder bei dreißig Grad. Rosaly neben ihr
wirkte in ihrem grauen Hosenanzug, der weißen Bluse und den zu einem Zopf geflochtenen Haaren wie eine frischgebackene Uniabsolventin,
bereit für den ersten Job. In der Hand trug sie eine schwarze Lederaktentasche.
Die Männer erhoben sich, um die beiden Frauen respektvoll zu begrüßen. Auf ein kurzes Zeichen der Schwarzen Witwe nahmen sie
wieder Platz. Keiner sagte ein Wort.
»Ihr kennt alle meine Assistentin Dottoressa Rosaly Calì«, begann Maria Manniti und sah jedem der Anwesenden in die Augen.
»Gut. Ab heute wird sie in dieser Kommission für mich sprechen.« Die Männer nickten, und die Schwarze Witwe eröffnete ohne
weitere Umstände die Sitzung. Auf der Tagesordnung standen die Bilanzen der verschiedenen Tätigkeitsfelder der Familie. Rosaly
zog einige Dokumente aus der Tasche, verteilte sie unter den Kommissionsmitgliedern und begann mit ihrem Vortrag. Es ging
um die Geschäftszahlen der Sparten Drogenhandel, Entführungen, Prostitution und Geldverleih. Und natürlich auch um die üppigen
Einnahmen aus einem mysteriösen Geschäftszweig namens »Money Laundering«. Diese Gelder wurden später wieder in den Wirtschaftkreislauf
eingespeist. Mit dem nunmehr sauberen Geld wurden legale und prosperierende Unternehmen finanziert. Die Bilanzen waren insgesamt
zufriedenstellend. Was jedoch die Kinderpornografie und den Organhandel anging, waren die Umsätze enttäuschend. In letzter
Zeit häuften sich die Probleme. Neue Ware war nach dem großen Medienecho auf |437| die jüngsten Polizeiermittlungen nur schwer zu beschaffen. Auch die Allianz mit der rumänischen und der nigerianischen Mafia
minderte die Gewinne. Probleme gab es zudem mit wichtigen Politikern, hier waren die Verbindungen weniger stabil als früher.
Einige wussten die Freundschaft der Familie nicht gebührend zu schätzen, zogen mit hektischem Aktionismus die Aufmerksamkeit
der Presse auf sich und brachten damit das ganze System in Gefahr. Rosaly erinnerte die Anwesenden nochmals daran, dass die
consiglieri
die
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