Ich kenne dein Geheimnis
begehrenswerten
Frau in einen Mann verwandeln konnte. Niemand würde ihr auf die Schliche kommen. Eines Tages überraschte Tina die beiden beim
Fechttraining. Verwundert starrte die Dienerin auf die Frau mit geschürzten Röcken und in Reitstiefeln, die sich mit dem Baron
duellierte. Irgendetwas stimmte hier nicht. Geistesgegenwärtig fingierte Oliva eine Ohnmacht.
»Die arme Marchesa ist einfach zu schwach für ein Duell mit einem Mann«, sagte Volfango tief besorgt. Sein Herz schlug bis
zum Hals, fast wäre ihr Geheimnis aufgedeckt worden. Er hob die Marchesa behutsam auf und trug sie ins Schlafzimmer. Seit
diesem Erlebnis war Volfango noch vorsichtiger: keine Duelle mehr und noch größere Diskretion im Schlafzimmer.
|245| Außerhalb des Palazzos begann es zu rumoren, die Zahl seiner Feinde wuchs. Erst in jüngster Zeit war ihm eine höchst alarmierende
Nachricht zu Ohren gekommen: Ein bedeutender venezianischer Jurist war in Palermo angekommen. Er war auf der Suche nach einem
Hochstapler, der venezianische Adlige um Hab und Gut gebracht hatte. Seine alte Bruderschaft zog den Kreis immer enger. Höchste
Vorsicht war geboten. Franzin und Balà betraten die Stadt nur noch verkleidet und mit verdecktem Gesicht. Auch neuen Feinden
musste d’Altino die Stirn bieten: Olivas Vater und ihr gewalttätiger Cousin, Marchese di Regalmici, Antonino La Grua. Volfango
vermutete, dass hinter dessen wiederholten Drohungen mehr steckte, als das Bedürfnis eines Mannes, die verletzte Ehre seiner
Cousine und seiner Familie zu rächen. Außerdem stand zu befürchten, dass Eufrasia ihn beim Vizekönig angezeigt hatte. Aus
diesem Grund hatte er beschlossen, den geheimen Treffpunkt der Fratelli zu verlegen. Die Grotte war nicht mehr sicher. Sie
brauchten ein neues Versteck, gut geschützt vor neugierigen Augen. Und auch wenn ihm das schwerfiel, musste er sich um die
Neutralität Donna Eufrasias bemühen. Wenn schon keine Vergebung zu erwarten war, so doch zumindest Waffenstillstand. Er würde
sie im Kloster besuchen, in der Hoffnung, damit ein für alle Mal das Geschwätz der Adligen zum Schweigen zu bringen. Die schlimmsten
Schandmäuler waren Principe di Gravina und seine Mutter, die seit Eufrasias Rückzug ins Kloster zu seinen erbittertsten Feinden
geworden waren.
Die Begegnung fand in einem Saal statt, in dem sonst hohe Würdenträger empfangen wurden. Der Äbtissin stand die Genugtuung
ins Gesicht geschrieben. Die Summe, die Barone d’Altino ihr überreichte, übertraf all ihre Erwartungen.
»Ich bitte Euch gnädigst, meine Spende anzunehmen, Mutter |246| Äbtissin«, bat Volfango mit falscher Demut. Er wollte sie gnädig stimmen. Ihre Seele war zwar rein, den Verlockungen des Geldes
aber konnte selbst sie nicht widerstehen.
Anders als viele ihrer Nonnen, wirkte die Äbtissin gesund und wohlgenährt. Sie nickte und würdigte d’Altino eines verhaltenen
Lächelns. »Ich bin sicher, Eure Spende wird unserem Herrn sehr gefallen.« Sie bekreuzigte sich und murmelte ein kurzes Gebet.
Dann erklärte sie dem Baron, wie sie das Geld nutzen wollte. »Mein Wunsch ist, auch den Schwestern des Klosters Santa Maria
dell’Ammiragliato eine Aussicht auf die Via Cassaro zu ermöglichen.« Es folgte eine detailgenaue Schilderung des unterirdischen
Ganges. Der Baron hörte interessiert zu.
»Mutter Äbtissin, wie großherzig von Euch. Ich fühle mich tief geehrt, Euch bei diesem Vorhaben zur Seite stehen zu dürfen.
Ihr wisst, dass auch meine Gattin den Weg zu Gebet und religiöser Hingabe gewählt hat. Sie hat sogar die Liebe zu unserem
Sohn Lupo der Liebe zu Gott dem Herrn geopfert. Etwas Gottgefälliges zu tun, ist für mich die einzige Möglichkeit, sie auf
ihrem Weg zu unterstützen.«
Wieder neigte die Äbtissin würdevoll den Kopf, doch in ihrem Blick flammte einen Augenblick lang Gier auf. Jetzt hatte er
sie so weit. D’Altino lenkte das Gespräch in die gewünschte Richtung: »Und, Mutter Äbtissin, wie gehen die Arbeiten voran?«
Sie erklärte, dass der Bau ins Stocken geraten war, da man Reste antiker Gebäude entdeckt hatte, wahrscheinlich aus der Zeit
der Phönizier. »Eine Totenstadt mit labyrinthartigen Gängen. Möglicherweise haben die ersten Christen sie als Katakomben benutzt«,
sie bekreuzigte sich, »wollt Ihr sie sehen?«
Der Baron nickte begeistert. »Sehr gerne, wenn es keine Umstände macht.«
|247| »Ich kann Euch nicht alles zeigen, aber doch ein
Weitere Kostenlose Bücher