Ich kenne dein Geheimnis
gehöre nur mir.« Dann zog sie die frischgewaschenen Hosen an und betrachtete sich im Spiegel. »Meinst du, ich
muss mir die Brüste abbinden oder sehe ich männlich genug aus?«
»Du bist perfekt.« D’Altino blickte sie nachdenklich an.
Ich gehöre nur mir
. Diese Worte hatten ihn bis ins Mark getroffen. Mit einem Mal wurde ihm klar, dass die junge Marchesa ihm nie gehören würde,
jedenfalls nicht so, wie er sich das insgeheim erhofft hatte. Oliva war mehr als nur eine schöne, sinnliche Frau. In ihr loderten
unbändige Kraft und Abenteuerlust. Was die Liebe anging, kannte sie weder Grenzen noch Moral. Vielleicht war es gerade das,
was ihn an ihr so faszinierte. Doch durfte er sich diese Gefühle erlauben?
»Vergessen wir meinen Vater.« Oliva band sich die Haare zusammen und lächelte ihn an. Einen Moment lang vergaß er seine nagenden
Zweifel.
Agnese öffnete die Vorhänge des Himmelbetts und brachte mit routinierten Griffen die Kissen und Decken in Ordnung. In der
Zwischenzeit half Tano Principe di Gravina beim Ausziehen und beim Anlegen des Nachtgewands. Der Diener fragte sich, warum
sein Herr an diesem Abend so schweigsam war.
»Eure Nachtmütze, Signore.« Der Blick des Fürsten war ausdruckslos, als würde er bereits mit offenen Augen schlafen. |238| Dann besann er sich, setzte sich die Mütze auf den Kopf und sagte: »Das Fläschchen mit der Bergamotte-Essenz, bitte.«
Tano verbeugte sich und nickte.
»Braucht Ihr mich noch?« Agnese schlug demütig die Augen nieder.
»Nein, geh nur. Aber lass die Kerzen brennen. Ich lösche sie später aus.« Der Fürst deckte das Bett auf und drückte auf die
Matratze, ein allabendlicher Ritus, um sich zu vergewissern, dass sie auch hart genug war. Agnese wartete, bis er zufrieden
nickte, dann ging sie. »Gute Nacht, Herr.«
Als er allein war, roch der Fürst ausgiebig an der Bergamotte-Essenz, in der Hoffnung, dass sie die quälenden Kopfschmerzen
vertreiben würde. Normalerweise half ihm Bergamotte immer. Während er auf die Wirkung wartete, versuchte er sich abzulenken
und konzentrierte sich auf das Amarantrot der Bettvorhänge. Ihm fiel auf, dass die untere Kante bereits etwas ausgeblichen
war. Es wird Zeit, sie zu erneuern, dachte er. Kleine Fehler, wie eine zu weiche Matratze oder verschlissene Stoffe, machten
ihm immer schmerzlich bewusst, dass alles vergänglich war, auch das Leben. Als er ein wenig Linderung verspürte, erhob er
sich wieder. Plötzlich durchzuckte ein stechender Schmerz seine Schläfen. Er schwankte kurz, verfing sich im Teppich und stürzte
zu Boden. Fluchend dachte er an den Grund für seine Kopfschmerzen: seine Mutter. Am Morgen hatte sie ihn in ihre Gemächer
kommen lassen, um ihn von einem Gespräch in Kenntnis zu setzen, das sie am Abend zuvor mit der Baronessa d’Altino geführt
hatte. Er war leichenblass geworden, doch dann war die anfängliche Bestürzung der Besorgnis gewichen, bevor sie schließlich
einer schmerzvollen Sehnsucht Platz gemacht hatte.
|239| Er stand auf und ging zum Schreibtisch, um einen Brief zu schreiben. Doch als er die Gänsefeder in die Tinte getaucht hatte,
hielt er inne. Was sollte er schreiben? Ein dicker Tropfen Tinte fiel auf das weiße Papier und zerfloss zu einem Gebilde,
das an eine Blume erinnerte. Der Fürst starrte auf das Papier und dachte an das morgendliche Gespräch zurück.
»Du wirst nicht glauben, was mir Donna Eufrasia eröffnet hat«, hatte seine Mutter begonnen und dabei eine verschwörerische
Miene aufgesetzt, wie immer, wenn sie sich anschickte, Klatsch und Tratsch zu verbreiten.
Ihr Sohn hatte sie gequält angeblickt. Wenn es nicht um Donna Eufrasia gegangen wäre, hätte er sich längst umgedreht und seine
Mutter mit ihren Geheimnissen allein gelassen. Aber alles, was die Baronessa betraf, ging auch ihn etwas an, und so hatte
er seine Mutter gebeten, fortzufahren.
»Denk nur, die Baronessa ist entschlossen, ihrer Schwester, Suor Addolorata, zu folgen und ins Kloster zu gehen! Und weißt
du, warum?« Ohne ihrem Sohn Zeit für eine Antwort zu lassen, hatte sie weitergesprochen: »Wegen ihres Mannes! Es scheint,
als habe der Baron sich die Marchesa di Regalmici ins Haus geholt, die seinetwegen ihren Vater allein gelassen hat! Aber das
Schlimmste kommt noch: Wie es scheint, hat der Baron in den vergangenen Jahren durch mysteriöse Geschäfte ein Vermögen angehäuft
… womöglich durch Kaperfahrten mit Piraten!«
Der
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