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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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klettern und es wieder versuchen. Nur damit ich es weiß. Aber bevor ich mich bewegen konnte, hörte ich, dass Barbara aufgestanden war, hörte die Dusche und das Plastikrascheln des Vorhangs. Ich legte mich wieder hin und dachte an Donalds Haare, die im Wasser schwebten, während blaues Licht aufglühte von seinen Finger- und Zehenspitzen. Ich dachte an seine Hände, die im Schlamm lagen.
    Ich konnte mir nur zwei Sorten von Wasser vorstellen. Strahlend blaues, klares und tropisches Wasser mit orangegelben Fischen darin. Hawaii-Wasser, wie auf den Bildern in Donalds Büchern. Und die andere Sorte – das heimische Wasser, das nicht so gut war und für ihn enttäuschend gewesen sein musste, falls er nicht damit gerechnet hatte. Dunkles Wasser mit aufblitzenden Quallen, die vorbeizuckten wie Kondome, die im Dunkeln leuchten. Blitzer – so heißt auch Donalds Lieblingsfisch, ein kleines Ding, das so tut, als wäre es ein Blatt, indem es waagerecht schwebt, und das Feinde vertreibt, indem es seine Lichter an- und ausschaltet, wann immer einer nahe kommt.
    Etwas später stand ich auf einem Küchenstuhl in einem alten schwarzen Rock, dessen Saum rausgelassen wurde. Barbara kniete auf dem Linoleumboden, und ich sah den grauen Streifen an ihrem Haaransatz, wo die Farbe herausgewachsen war. Sie steckte den Saum ab, ohne mich zu berühren, und ich fragte sie, was es bedeutete, wenn jemand eine Seebestattung erhielt.
    Barbara gab keine Antwort. Nicht, weil ihr Mund voller Nadeln war; sie sah mich an und steckte dann erst die Nadeln in den Mund. Es war dasselbe, wie wenn Chloe so tat, als wäre sie zu beschäftigt, um ans Telefon zu gehen.
    »Andere Seite«, sagte sie und gab mir ein Zeichen, mich umzudrehen.
    Wir gingen in einen Garten hinter dem Krematorium. Die Nachbarn waren da. Onkel Ron kam zu spät und verpasste die meisten Worte. Er trug einen dunkelblauen Nadelstreifenanzug und ein Hemd, das perfekt gebügelt war. Er sah smart aus und fett. Barbara fragte ihn, ob er eine Frau habe und sie nachher mitbringen wolle, wenn es zu Hause belegte Brötchen gab. Er drückte sie und gab ihr einen Umschlag. Sie wollte ihn nicht nehmen. Damals dachte ich, es wäre eine Karte – wir hatten viele mit der Post bekommen – , aber jetzt denke ich, er wollte ihr Geld für die Beerdigung geben. Sie schüttelte den Kopf, und er protestierte nicht, sondern steckte den Umschlag wieder hinten in seine Hosentasche und erwähnte ihn nicht mehr.
    Es war ein windiger Tag, und als es Zeit war, die Urne auf dem kleinen Hang im Garten auszuschütten, flog das graue Pulver direkt zurück in unsere Augen und Münder.
    »Jesus«, sagte Onkel Ron leise und fuhr sich über das Gesicht. Meine Mutter zwinkerte und zuckte nicht zurück. Ich leckte es von meinen Lippen und versuchte, etwas davon aufzufangen, um es mir in die Tasche zu stecken. Ich mochte den Garten nicht: Ich wollte Donald an einen besseren Ort bringen. Irgendwo in die Nähe von Wasser.
    Danach gab es eine Feier, im Haus. Die Leute saßen auf den Sessellehnen und standen in der Küche. Sie verhielten sich so, wie sie das immer tun, wenn jemand gestorben ist – obwohl es einem nur ein- oder zweimal passiert im Leben, sieht man es so oft im Fernsehen, dass man darin geschult ist, was einen erwartet und was man sagen soll, und es kommt ganz von selbst. Es ist leicht.
    Später steckte Onkel Ron mir einen Fünf-Pfund-Schein zu und bot mir an, in seine neue Wohnung zu ziehen, wenn ich wollte, in ein paar Monaten, sobald er alles geregelt hatte.
    »Jederzeit, Süße!«
    Was mit Donald passiert war? Er verließ das Haus um drei Uhr morgens mit der schottengemusterten Thermoskanne und meiner alten schwarzen Sporttasche. Das sind mehr oder weniger Fakten, denn es ist eine Tatsache, dass diese Sachen im Haus fehlten und wir sie nie zurückerhielten.
    Er trug eine beigefarbene Hose, schwarze Gummistiefel, eine blaugraue Regenjacke und einen braunen Pullover. Er hatte die fertigen Secchi-Scheiben dabei und ein Bambusrohr aus dem Garten. Barbaras Kontoauszüge zeigten, dass er an der Raststätte Lancaster gehalten hatte, um zu tanken, und mit ihrer Switch- EC -Karte bezahlt hatte um 4.18 Uhr.
    Der Mann, der ihn bedient hatte, war dreiundzwanzig Jahre alt. Seine Freundin war schwanger, und er hatte die Nachtschicht in der Tankstelle als Aushilfsjob angenommen, um ein bisschen Geld dazuzuverdienen. Tagsüber arbeitete er in einem Wettbüro. Er war so übermüdet, dass er in der Tanke anrufen musste, um

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