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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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ich bekomme ein Klappbett.
    Ich spürte die Worte in meiner Kehle blubbern und wollte sie loswerden, also fing ich an, am Daumennagel zu knabbern, um mich am Reden zu hindern.
    Amanda füllte die Gesprächslücke nicht, sondern blickte mich nur mitfühlend an.
    »Barbara hat damit kein Problem«, bekräftigte ich. Die Wut verflog rasch. Ich war traurig. Trotz allem wollte Chloe mir immer noch nicht die Wahrheit sagen. Wahrscheinlich hatte sie sich bereits Emma anvertraut.
    Amanda goss das kochende Wasser in eine pinkfarbene Tasse, die Chloe gehörte, wie ich wusste, bevor sie mich ins Wohnzimmer führte und mich im Fernsehsessel sitzen ließ, nach hinten gekippt, sodass meine Beine oben lagen. Sie quetschte sich auf die Couchecke gegenüber und lächelte und starrte und nickte jedes Mal ermunternd, wenn ich die Tasse an die Lippen führte. Ich musste heiße Schokolade mit Marshmallows trinken, bis Chloe damit fertig war, ihre Haare einzuschäumen und sich das Gesicht zu schrubben.
    »Wir haben Eis für dich gemacht«, sagte Amanda und blickte auf das braune Getränk in der Tasse. Eis?
    »Chloe hat gesagt, du machst vielleicht was mit Eis. Sie hat zusammen mit Emma gestern Abend die Behälter rausgestellt.«
    Sie deutete durch den Rundbogen, und ich blickte an ihrem Arm entlang in den Wintergarten, durch die spitzen Äste irgendeiner grün-weißen Hängepflanze hinaus in den Garten. Sie hatten alte Saatschalen und rostige Dosen mit Wasser gefüllt und sie über Nacht zum Frieren draußen gelassen. Das Eis hatte sich ausgedehnt, und die Plastikschalen waren an den Ecken ausgebeult.
    Ich hatte ganz vergessen, dass ich das mit dem Eis gesagt hatte, aber Chloe offenbar nicht, denn sie hatte das ganze Wasser für mich rausgestellt. Das war sehr freundlich von ihr. Ich bekam wieder ein schlechtes Gewissen, weil ich erst so spät gekommen war und dann nichts gesagt hatte.
    »Ich glaube«, sagte ich und kämpfte, um den Sessel wieder in eine normale Sitzposition vorzukippen, damit ich aufstehen konnte, »ich geh mal rauf in Chloes Zimmer. Sie hat noch ein paar Kassetten von mir, die ich gerne mitnehmen würde.«
    Amanda blickte mich lange an. Sie trug immer noch ihre neuen Weihnachtsohrringe und blaue Wimperntusche. Ich begann, nervös zu werden. Sie sah aus wie Chloe, und sie hatte auch dieselben Augen: Sie funkelten mich an, als ahnte sie, was ich als Nächstes vorhatte.
    »Sie isst nichts mehr, weißt du«, sagte sie unvermittelt. »Jedenfalls nicht hier.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    »Ich weiß, du hast genug zu kämpfen mit … «, sie biss sich auf die Lippe, »… deinen eigenen Problemen.«
    »Schon okay«, sagte ich.
    »Es ist wegen dieses Projekts. Das über Kalorien. Du weißt, wir haben ihr verboten, diesen Jungen zu treffen.«
    »Ja.«
    »Es ist schwer zu sagen, ob sie das aus Rache macht oder um Aufmerksamkeit zu erlangen. Oder es steckt was Ernstes dahinter. Macht sie sich Sorgen?«
    »Worüber?«
    »Über ihre Figur. Ihr Gewicht. Denkt sie, sie muss abnehmen?«
    Ich hob die Schultern. Chloe war immer an meiner Diät mehr interessiert als an ihrer eigenen. Von manchen Sachen bekäme man eine schlechte Haut, hatte sie mir erzählt und anerkennend beobachtet, wie ich das Zeug von meinem Teller in den Mülleimer kratzte. Chloe aß, worauf sie Lust hatte. Sie habe einen guten Stoffwechsel, sagte sie. Ich solle deswegen nicht neidisch sein. Reines Glück mit den Genen, und es hätte nichts mit uns als Menschen zu tun, was das Entscheidende sei.
    »Ich glaube nicht.«
    Amanda stand auf und fing an, die Klassenporträts von Chloe auf dem Kaminsims neu zu arrangieren. Vier unterschiedliche Schuluniformen, und jedes Bild in einem teuren Silberrahmen. Man konnte sie durchblättern wie ein Daumenkino und mit eigenen Augen sehen, wie sie heranwuchs.
    »Wir haben bisher keine Erfahrung mit einer Tochter im Teenageralter, ihr Vater und ich. Die Leute erwarten, dass man immer weiß, wie man sich richtig verhält als Eltern, wenn die Kinder in die Pubertät kommen. Aber wir wissen es nicht. Sie verkriecht sich stundenlang mit Emma in ihrem Zimmer – mit kurzen Abstechern ins Gewächshaus – und bekommt zu den merkwürdigsten Uhrzeiten Anrufe. Ich habe sie ein paarmal dabei erwischt, wie sie nachts heimlich rausgeschlichen ist. Was ist mit den anderen Malen, an denen ich sie nicht erwischt habe? Sie will uns diesen Jungen nicht vorstellen. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was die beiden zusammen getrieben haben.

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