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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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loslegen, als ich das Knacken von Schritten hörte, die aus dem Wald auf uns zukamen. Chloe steckte ihren Lippenbalsam in die Jacke und streifte ihre Handschuhe sorgfältig über. Ich erinnere mich an den klebrig-süßen Geruch des Balsams auf ihren Lippen. Pfirsich Melba oder Peach Crush. Fettig und orange. Wir drehten uns beide zur Hecke und warteten.
    Als Carl herauskam, keuchte er leicht, und seine Augen leuchteten. Ich habe nie wieder diesen Ausdruck bei jemandem gesehen, nicht einmal in Filmen. Es war ein »Idee!«-Ausdruck. Was Neues, Glänzendes in seinem Hinterkopf. Er wischte seine Stiefel im Gras ab, als wäre er in Hundescheiße getreten.
    »Was hast du mit ihm gemacht?«, fragte Chloe. Sie ging zu ihm und versuchte, sich bei ihm einzuhaken. Er schüttelte den Kopf und zog den Arm weg.
    »Hör auf, immer wie eine Klette an mir zu hängen.«
    Er wischte sich über den Mund und würgte Schleim hoch, spuckte auf den Rasen, fuhr sich wieder über den Mund. »Er ist abgehauen, der flinke kleine Bastard. Sind die alle so schnell?«
    Ich zuckte mit den Achseln, und Chloe kicherte und versuchte, seine Hand zu halten.
    »Möchtest du wieder in den Wagen?«, fragte sie und senkte leicht den Kopf, sodass die beiden gekringelten Strähnen ihr ins Gesicht fielen. Carl war größer als sie – viel größer. Sie sah durch ihre Wimpern zu ihm hoch.
    »Steig in den Wagen«, sagte er und gab ihr einen so heftigen Schubs, dass sie ein paar Schritte rennen musste, bevor ihre Füße ihren Körper eingeholt hatten. Sie wäre fast gestürzt, und ich stand kurz davor, etwas zu sagen. Ich warf einen Blick auf Carl und überlegte es mir anders. Chloe sagte auch nichts, sondern ging einfach weiter. Sie sah nicht zu ihm zurück. Trottete hinüber zum Wagen, ohne wie sonst zu warten, dass er die Tür für sie aufhielt.
    »Hinten rein.« Er machte eine Geste mit dem Daumen. »Und zwar beide. Ich fahre euch nach Hause.«
    »Wozu die Eile?«, erwiderte Chloe, nachdem wir angeschnallt waren und bereits fuhren. »Ich dachte, wir haben noch andere Pläne?«
    Sie zog »Pläne« absichtlich in die Länge, damit ich ja nicht die Anspielung verpasste – damit ich an nichts anderes denken konnte als an das, was sie und Carl machten, sobald ich aus dem Weg war. Wir fuhren auf der Straße, die am Südrand des Naturparks entlangführte – sich an die Bäume schmiegte und an den Asda-Supermarkt.
    »Darum die Eile«, sagte Carl und verlangsamte den Wagen auf Schritttempo. Er klopfte mit dem Fingerknöchel gegen die Scheibe, und wir blickten auf den Asda-Parkplatz.
    Die Jalousien waren unten, und im Laden brannte kein Licht, aber ein Van stand auf dem Parkplatz – ein beige- und naturfarbenes Wohnmobil, an dessen Seite ein großes Laken hing. Darauf hatte jemand was mit roter Farbe gepinselt oder einen dicken Filzstift benutzt, und mehrere Leute, die Gesichter mit Halstüchern vermummt, standen bewundernd davor. Einer von ihnen sah in unsere Richtung. Carl drückte den Fuß aufs Pedal, und wir fuhren zurück in die Stadt.
    »Wer war das?«, fragte ich. Mir war schlecht.
    »Ein paar Männer, die sich zusammengetan haben, um die Parks zu kontrollieren, die Bushaltestellen und so weiter. Sie suchen nach diesem Perversen.« Carl lachte und sah mich im Rückspiegel an. »Ich glaube, die machen ihre Sache besser als die Polizei – die auf Kartoffelschälern und Fahrradketten auf dem Eis rumrutscht.«
    »Das ist eine Selbstschutzorganisation«, sagte Chloe sachkundig. »Mein Dad wurde gefragt, ob er mitmachen will. Das sind alles Väter. Meiner meinte, dass er nicht sicher ist, ob es sich um Herdentrieb handelt oder um eine Graswurzelbewegung. Meine Mutter war bei einem der Treffen und findet, das ist ein Haufen von Pennern und Arbeitslosen.«
    »Macht dein Vater mit?«, fragte mich Carl, und ich wandte den Blick vom Rückspiegel ab und schüttelte den Kopf.
    »Im Kühlschrank steht was zu essen für dich, Lo.«
    Im Haus war es überwältigend warm nach der Kälte draußen, und es roch nach Truthahn und Kiefernnadeln und Donalds Füßen. Nach diesem speziellen Sonntagsbraten- und Weihnachtsgeruch. Früher mochte ich ihn richtig.
    »Hab keinen Hunger. Ich geh ins Bett!«, rief ich durch die offene Tür und versuchte, die Treppe hochzulaufen, bevor sie aus dem Wohnzimmer kommen und mich in die Mangel nehmen konnten.
    »Ins Bett? Ins Bett?« Barbara erreichte den unteren Treppenabsatz, bevor ich oben den Flur überqueren und im Bad verschwinden konnte.

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