Ich kenne dich
Hause geblieben wärst und dir Ist das Leben nicht schön reingezogen hättest mit deinen Groß… – ich meine, deinen Eltern, hättest du nur was zu sagen brauchen.«
»Leck mich«, entgegnete ich und stapfte weiter, obwohl man nirgendwohin gehen konnte.
»Gerne. Ich würde gerne mal zehn Minuten mit Carl haben, ohne dass du ständig nervst.«
»Ihr wart eine Stunde im Wagen«, sagte ich. »Wenn er immer nur mit dir rummachen will, warum geht ihr dann nicht zu ihm? Warum muss ich immer mitkommen? Steht er darauf, wenn jemand zusieht oder so?«
Chloe grinste. »Seine Eltern wären so begeistert von mir wie meine von ihm«, sagte sie. »Es ist kompliziert.«
Ich blickte finster. »Ihr könnt euch ja in seiner Dunkelkammer verstecken«, sagte ich, und Chloe lachte wieder.
»Du bist nur eifersüchtig«, sagte sie. »Außerdem hat Carl viel zu tun. Wir müssen jede Gelegenheit nutzen, die sich bietet. Es ist nicht leicht für uns, weißt du.«
Ich konnte es nicht leiden, wenn sie mir mit diesem »uns« kam – mir ständig unter die Nase rieb, dass sie einen Freund hatte und ich nicht. Das war nicht fair. Ich wollte nicht einmal einen Freund, nicht wirklich. Aber weil Chloe nun einen hatte, war das meine nächste große Aufgabe, und geeignete Kandidaten traten nur spärlich in Erscheinung.
»Es wäre schön, wenn wir mal wieder was ohne ihn oder Emma zusammen machen könnten«, sagte ich. »Früher war das anders.«
»Und?«, entgegnete sie kichernd. »Du hast ja jetzt einen Freund gefunden, oder?«
»Ich will nach Hause.«
Ich machte einen Schritt vorwärts, als mir einfiel, dass hier keine Busse fuhren, und zog den Fuß wieder zurück. Es muss ausgesehen haben wie ein Hüpfer oder ein Auf-der-Stelle-Treten. Chloe strich ihre Augenbrauen mit dem Finger glatt und beachtete mich nicht.
»Ich hätte Emma mitnehmen sollen«, bemerkte sie leichthin. Sie tat so, als würde sie mit sich selbst reden, als hätte sie vergessen, dass ich da war. »Emma jammert nicht so viel rum. Emma freut sich, wenn Carl und ich sie im Wagen ausführen.«
Ich drehte mich weg und gab keine Antwort.
Ausführen! Als wäre ich ein Hund, ein großes, dummes Kind wie Wilson. Ursprünglich waren sie und ich miteinander verabredet gewesen. Draußen im Park, um herumzuspazieren und zu sehen, ob wir jemanden aus der Schule trafen. Niemand war dort gewesen, aber früher oder später wäre jemand aufgetaucht. Sobald die Eltern vor der Glotze schnarchten, wäre jemand aufgeschlagen mit einer Flasche Alk. Das war so gut wie sicher.
Aber nein. Nach ungefähr zehn Minuten war Chloe kalt geworden, und sie hatte beschlossen, dass es nicht sicher war – solange der Perverse sich hier rumtreibt – , und Carl angerufen, damit er sie abholte. Was, wie mir erst nachträglich bewusst wurde, genau das war, was sie die ganze Zeit geplant hatte. Ich war nur das Publikum.
»Du bist eine richtige Zicke geworden, seit du mit ihm zusammen bist, weißt du das?«, sagte ich.
»Du bist tatsächlich eifersüchtig«, entgegnete sie sanft.
»Worauf?«
Ein, zwei Momente lang herrschte Schweigen. Streitereien wie diese waren allmählich normal. Es artete zwar nie aus, aber es nervte mich, dass immer ich diejenige war, die den ersten Schritt zur Versöhnung machte, und nicht Chloe. Als wüsste sie, dass sie auch gut ohne mich klarkäme, solange es auch dauern mochte. Das war alles nur wegen Carl. Der Sommer war vorbei; wir hatten mehr oder weniger jeden Tag zusammen verbracht. Ich hatte bei ihr übernachtet, sie bei mir – manchmal sogar im selben Bett.
Wir schauten die Bühnenversion von Bottom und Mach weiter Emmannuelle und Barbarella . Wir aßen mit ihren Eltern, die mich mochten, glaube ich, und die, weil ich ruhig war, hofften, dass ich einen guten Einfluss auf Chloe ausübte; sie sorgten sich um sie, weil sie gerne über die Stränge schlug und nicht mehr zu händeln war. Dann, Ende Oktober oder Anfang November, hatten die Treffen mit ihm angefangen – und über Nacht änderte sie sich und begann sogar, Emma zu ermuntern, die nur ein Lückenbüßer war, bis Carl auf der Bildfläche auftauchte. Alles entglitt mir.
»Du bist eine Schlampe«, sagte ich.
Chloe sah mich nicht an, wirkte nicht gekränkt. Sie rieb mit der Hand über den Fleck an ihrem Hals.
»Hör jetzt auf, ja?«, sagte sie überdrüssig. »Du benimmst dich wirklich total unreif, weißt du das? Willst du zu meiner Party kommen oder nicht?«
Ich öffnete den Mund und wollte gerade richtig
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