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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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nach begriff ich, dass wir, wenn wir mit Donald sprechen wollten, zu ihm in seine Welt gehen mussten.
    Trotzdem, so ungewöhnlich waren wir auch wieder nicht. Mag sein, dass wir größere Nesthocker waren als die meisten, aber von denen, die wir kannten, fuhr niemand oft weg aus der Stadt. Das machte einfach keiner.
    Als wir das Shoppingcenter erreichten, nahm Barbara Donald am Arm und zog uns gemeinsam in die Drehtür. Zu dritt standen wir eingezwängt zwischen zwei Flügeln des rotierenden Glaskastens. Die Heißluft aus der Lüftung blies direkt auf uns herunter, und Donald begann, stark zu schwitzen.
    »Keine Sorge«, sagte ich und deutete durch das Glas, »die Weihnachtsbäume stehen noch.«
    »Dein Vater ist kein Kind«, sagte Barbara, und ich ließ den Seufzer heraus, ganz langsam durch meine Zähne, sodass sie ihn nicht hören konnte, während die Tür ihre halbe Umdrehung gemacht hatte und uns ausspuckte in die Wärme und die blinkenden Lichter der Einkaufspassage. Sie flimmerte immer noch vor Silberlametta, und die Luft war geschwängert von dem trockenen Geruch der Lösungsmittel in den Eisblumensprays.
    »Wo gehen wir hin?«, fragte ich und schielte an Donald vorbei zu Barbara, die in Richtung Boots marschierte und eine Handtasche schwang, die so braun war und glänzte, dass sie aussah, als wäre sie aus Holz. »Schwingen« ist der richtige Ausdruck – sie baumelte an ihrem Handgelenk und wurde vorgehalten wie eine Waffe. Ich wollte weg. Ich hätte mich am liebsten umgedreht und in der Menge aufgelöst, wie eine Rauchwolke. Mir war nun klar, was sie vorhatte, aber Donald lächelte und zog mich sanft weiter, indem er einen Zipfel meiner neuen Jacke zwischen Daumen und Zeigefinger festhielt.
    Die Weihnachtsdekoration bei Boots war dezenter. Als wir die Parfümtheke erreichten, stand die Frau, die dort bediente, auf einer kurzen Trittleiter. Sie hatte hinten eine Laufmasche am Bein, die unter ihrem Rock verschwand. Sie wickelte rotes Geschenkband um die Dekorationsware in dem Regal hinter ihr. Rote, herzförmige Aufkleber zierten die Schachteln und Flakons, weil es zum Valentinstag eine Sonderaktion gab und die Auslagen jetzt schon dafür geschmückt wurden. Sie nahm uns nicht wahr, bis Barbara ihre Handtasche auf die Glastheke plumpsen ließ.
    Barbara stieß ein Hüsteln aus. »Verzeihung, Miss?«
    Die Frau wandte sich um, dann hüpfte sie schwerfällig von der Leiter, starrte Donald an und zupfte ihren Rocksaum gerade. Am liebsten hätte ich gesagt: »So einer ist er nicht«, in einem Ton wie Barbara, aber sie kam mir zuvor.
    »Meine Tochter«, begann sie mit solch klarer Würde, dass ich wusste, sie hatte es einstudiert – ich stellte sie mir barfuß auf dem Linoleumboden in ihrem Schlafzimmer vor, während sie die Tagesdecke mit den Rosenknospen auf ihrem Einzelbett glatt strich und es wie ein Gebet vor sich hinmurmelte – , »möchte einen Artikel zurückgeben, den sie von dieser Theke genommen hat, ohne zu bezahlen.«
    Ich beobachtete, dass der Gesichtsausdruck der Verkäuferin sich veränderte. Ich versuchte, mir vorzustellen, was für einen Eindruck wir auf sie machten. Wir drei: Barbara, in ihrem schäbigen, aggressiv sauberen Hahnentritt-Mantel und den rissigen Lederhandschuhen; Donald, der leicht schwankte und lächelte, als würde er gleich ein Geschenk kriegen; und ich – Hochwasserjeans, Schulschuhe und das Weihnachtsgeschenk, die Schuljacke, die Schultern gesprenkelt mit weißen Schneeflocken, die für einen skeptischen Betrachter aussehen konnten wie Schuppen. Alle drei der Größe nach aufgereiht, während wir zurückstarrten zu ihr und ihrer verlassenen Schachtel mit Pappherzen.
    Barbara nahm die weiß-blau-silberne Parfümschachtel aus ihrer Handtasche. Sie ließ den Verschluss laut zuklacken (das Geräusch klang genauso zufrieden, wie sie war) und stellte das Parfüm vorsichtig auf die Theke.
    »Hier ist es«, sagte sie und deutete darauf. Sie sah mich nicht an – ihr Hals war starr vor Angst. »Sie würde es gerne irgendwie wiedergutmachen. Was schlagen Sie vor?«
    Die Verkäuferin sah mich an. Ich blickte auf die roten Herzen und sagte nichts.
    »Nicht wahr, Lola?«, soufflierte Barbara. Als würde sie sich auf einen Kampf vorbereiten, streifte sie ihre Handschuhe ab und legte sie über das geschürzte Maul ihrer Handtasche.
    »Sind Sie sicher?«, fragte die Verkäuferin. Sie deutete hinter sich, ohne nach hinten zu schauen, wie eine Wetterfee. »Das ist nur leere Dekoration. Wir

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