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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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spielen sollte. Sie gab mir meinen Text vor, und ich kooperierte, halb belustigt über ihr Gebaren und neugieriger, als ich eigentlich sein wollte.
    »Haben sie dich erwischt?«
    »Du wirst es nicht glauben«, sagte sie und lachte sich schlapp. Emma lächelte mechanisch. Ihr Mund war dunkel und klebrig von Lippenstift.
    »Ich muss mich erst wieder einkriegen.«
    Es war kein besonders langer Fußweg von Chloes Elternhaus zu meinem. Ich wohnte in einem Labyrinth von Straßen in einer kleinen Reihenhaussiedlung, die sich am Nordufer des Ribble zusamme ndrängte und leise absackte. Chloe wohnte auf der Südseite des Flusses, oben auf dem Hügel, direkt um die Ecke unserer Schule. Ihre Eltern hatten einen Wintergarten und ein Gewächshaus. Die Straße führte über den Fluss in beide Richtungen weiter – vorb ei an Chloes Haus stadtauswärts in Richtung Southport, und vorbei an unserem Haus stadteinwärts, wo sie zur Fishergate Hill wurde, die zum Bahnhof führte und zu den Einkaufspassagen. Zu Fuß dauerte das vielleicht eine halbe Stunde, aber an diesem Tag, erzählte Chloe, hatte sie einen Umweg gemacht, zuerst am Ribble entlang, über die Old Tram Road und dann durch den Avenham Park. Sie hatte den Park am Ende einer langen Straße verlassen, von der es ungefähr fünfzehn Minuten bis zu unserem Haus waren, und hatte so ihren Weg um eine Stunde verlängert.
    »Warum bist du so einen großen Umweg gegangen?«, fragte ich. Manchmal kam es vor, dass wir absichtlich Umwege machten – zum Spaß, oder um Zeit totzuschlagen – , aber nur, wenn uns wirklich nichts Besseres einfiel, und so gut wie gar nicht mehr seit dem Sommer.
    »Ich wollte eine rauchen«, antwortete Chloe. »Ich konnte ja schlecht den Hügel hinunterlaufen mit einer Kippe im Mund, oder?«
    »Ziemlich großer Umweg für eine Kippe«, sagte ich, und Chloe zuckte mit den Achseln.
    »Mehr Bewegung könnte dir nicht schaden. Probier’s doch mal aus, wenn du dich das nächste Mal wieder fühlst wie ein Teller Pommes, Fettkloß.«
    »Leck mich.«
    Chloe zeigte mir den Mittelfinger.
    Emma kicherte, und mir wurde bewusst, dass sie was getrunken hatte. Ich konnte bei Chloe keine Fahne riechen, also waren sie nicht zusammen unterwegs gewesen, immerhin etwas. Allerdings schätzte ich Emma nicht ein als jemanden, der im Park mit einer Flasche Alk abhing. »Das ist gar nicht so weit«, mischte sie sich ein. »Nicht, wenn man fit ist. Ich bin die Strecke schon unzählige Male gelaufen.«
    Ich versuchte, Emma kühl zu mustern, mit festem Blick und ohne den Mund zu bewegen. Sie war geschminkt – stark – , und ich hatte sie noch nie so gesehen. Die dicke Wimperntusche und der braune Lidschatten ließen sie krank und wund aussehen.
    »Aber bestimmt nicht zu mir«, entgegnete ich.
    Chloe fiel dazwischen. »Hört auf, ihr zwei. Jedenfalls bin ich die lange Baumreihe am Fluss langgegangen, du kennst doch den Weg hinter dem Musikpavillon, oder? Ich also unterwegs, und plötzlich höre ich etwas rascheln. Ich dachte zuerst, es wäre ein Vogel oder ein Eichhörnchen oder so. Ich nehme also die Kopfhörer ab … « – sie trug sie immer noch um den Hals, und das Kabel schlängelte sich unter ihre Strickjacke zu dem kleinen schwarzen Gerät an ihrem Jeansbund – »… und gehe langsam weiter. Ich hatte keinen Schiss oder so, schließlich war es ja nicht mitten in der Nacht, oder?«
    »Klar«, sagte ich. Ihre Augen glänzten feucht vor Belustigung.
    »Und plötzlich kommt dieser Typ aus dem Gebüsch.« Sie lachte wieder, ein seltsamer, schluchzender Laut. »Er kam nicht herausgesprungen und hat gebrüllt oder sowas – er ist einfach rausgestiegen. Hätte ich das Rascheln nicht gehört, und das habe ich nur gehört, weil auf der Kassette gerade ein Lied zu Ende war, hätte ich ihn wahrscheinlich gar nicht bemerkt. Aber ich habe ihn wahrgenommen, in dem Moment, als er aus dem Gebüsch kam. Und weißt du, was das Erste war, was mir an ihm aufgefallen ist?«
    »Was?«, sagte ich.
    »Er trug eine Maske … « Sie unterbrach sich und beugte sich vor. »Und das ist nicht mal das Schlimmste.«
    Ich stellte mir den Maskierten mit dem Umhang aus Das Phantom der Oper vor.
    »Was für eine Maske?«
    »Eine Halloween-Maske.« Sie zeichnete mit den Händen vor ihrem Gesicht in der Luft. »Giftgrün, flache Schädeldecke. Bolzen. Was meintest du, Emma, was das war?«
    »Frankenstein«, sagte Emma leise.
    »Eigentlich Frankensteins Monster. Frankenstein war der … «
    »Scheißegal, was

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