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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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geht mir eher darum, mir ein paar Minuten extra Zeit zu verschaffen, um in der Wohnung kurz aufzuräumen, als darum, dass Emma in etwas Unangenehmes treten könnte.
    Ich bleibe mit einem Armvoll nasser Handtücher aus dem Bad vor dem Fernseher stehen. Draußen ist es dunkel – noch dunkler ist es am Weiher, wo es keine Straßenlampen gibt. Terry zeigt auf das Zelt und redet von Hunden und Beweisen. Er sagt »mühseliger Prozess«. Ich stelle den Ton stumm, werfe die Handtücher vor die Waschmaschine und sammle Geschirr ein, das ich in die Kochnische bringe. Da in der Spüle kein Platz mehr ist, staple ich die klebrigen Schüsseln und Tassen in dem Schrank darunter, neben der Ansammlung von grünen Glasflaschen, meinem Leergut. Es klopft – zögerlich und unfreundlich. Ich schiebe den Riegel hoch und trete zur Seite. Emma schlurft herein und riecht nach Alkohol und nach muffigen Flanellhemden.
    »Hast du den Bus gekriegt?«, frage ich blöderweise.
    Emma schüttelt den Kopf. »Ich habe gewartet, aber er ist nicht gekommen.«
    »Ist es so schlimm?«
    Sie geht an mir vorbei und lässt den Blick über die durchgesessene Couch, den Weinkanister, den fleckigen Teppich und die kahlen Wände schweifen. Sie geht auf und ab, zu überdreht, um sich zu setzen. Eine welkende Schildblattpflanze und eine Reihe Videos stehen auf dem Fensterbrett. Sie sind bedeckt mit einem Pelz aus Staub, so dick, dass es aussieht wie Schimmel. Ich beobachte sie, während sie sich umschaut.
    »Ich bin selber gefahren. Hätte ich wahrscheinlich nicht tun sollen.« Sie hebt ein imaginäres Glas. »Aber ich war es leid, zu warten, und die Straßen sind sowieso leer. Heute Abend wird wohl jeder vor der Glotze hängen, was?«
    »Ja«, sage ich. »Terry will einen Aufruf starten. Zeugen, eine Hotline. Das ganze Programm.«
    »Oh Gott«, sagt sie und setzt sich dann, stützt den Ellenbogen auf ihr Knie und legt die Stirn in die Hand. »Das wird nie aufhören, oder?«
    Ich hebe die Schultern. »Nicht, wenn er es verhindern kann.«
    »So eine lange Zeit, und er ist immer noch … « Sie unterbricht sich, fährt sich unsanft mit der Hand durch die Haare und sieht hoch zu mir. »Ich wollte nicht zu Hause bleiben, falls seine Kundschafter wieder wegen eines Interviews anrufen. Ich könnte es nicht ertragen.«
    Ich sehe sie an und erinnere mich. An die zwei Jahre, in denen Terry versuchte, uns in die Sendung zu bekommen, ohne ein Nein zu akzeptieren. Als hätte die Polizei nicht schon gereicht, wollten die Leute, dass wir noch mehr Fragen beantworteten in Terrys Sendung. Emma war nicht wie Chloe – sie wollte nie berühmt werden.
    »Keiner weiß, dass ich hier bin. Ich bin jetzt Laura, nicht mehr Lola. Die werden nicht anrufen.«
    Sie seufzt, aber nicht wirklich vor Erleichterung. »Ich habe gehofft, dass du das sagst.«
    Wir schauen wieder auf den Fernseher: Terrys Mund, der sich lautlos bewegt, die dunklen Umrisse der Bäume vor dem Himmel und die Laufzeile mit der Telefonnummer am unteren Bildrand. Man braucht nicht zu hören, was er sagt, um seine Stimmung aufzufangen – diese Aufregung, die Art, wie er den Kopf schräg hält und mit den Händen in der Luft zeichnet.
    »Wissen die schon, wer es ist? Haben die was darüber gesagt?« Sie krümmt die Finger in ihre Handfläche und legt die Knöchel an den Mund, als versuche sie, ihre Worte wieder in ihre Kehle zurückzustopfen.
    Ich schüttele den Kopf. »Noch nicht.«
    »Verfluchte Scheiße.« Ihre Stimme ist durch ihren Jackenärmel gedämpft. »Hast du was zu trinken da?«
    »Kaffee«, sage ich, und sie schüttelt den Kopf. Ich schiebe mit dem Fuß den Weinkanister vor das Sofa. »Den hier, aber der schmeckt scheiße. Ich hol dir ein Glas.«
    »In anderen Städten gehen die Leute am Valentinstag romantisch essen. Du hast nur mich«, sagt sie, und obwohl es nicht unlustig ist, lacht keine von uns beiden.
    Hier feiert schon seit Jahren niemand mehr richtig den Valentinstag. Für uns ist es der Tag, an dem wir des jungen Paars gedenken, das sich ertränkt hat, weil es sich nicht sehen durfte. Frauen, die Chloe nicht kannten, tragen ihr Porträt in einem Medaillon um den Hals und hoffen seufzend darauf, dass sie eines Tages auch so geliebt werden.
    »Wir werden schon klarkommen«, sage ich. Sie hebt den Kopf, als ich ihr ein Glas gebe, und lässt wieder den Blick schweifen.
    »Nett hier«, sagt sie, verhalten und ohne Sarkasmus.
    »Das ist eine Sozialwohnung«, erwidere ich. »Es gibt eine gesetzlich

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