Ich kenne dich
»Vielleicht gehen wir jetzt besser nach Hause.« Sie klang gelangweilt. Dawn lächelte jemanden neben der Kamera an.
Dann Schnitt und zurück zu Videomann, der immer noch herumspazierte und mit Zweigen warf, während er sich langsam, in ungleichmäßigem Zickzack, der Bank näherte, auf der die beiden Mädchen saßen. Terry, geschrumpft auf die Gebärdendolmetscherkabine in der unteren Bildschirmecke, gestikulierte mitfühlend und gab einen hilfreichen Kommentar.
»Die Mädchen waren in bester Stimmung am Vormittag des zweiten Weihnachtstags und hatten ihre Elternhäuser verlassen, um frische Luft zu schnappen.«
Ich wusste, was das hieß. Sie hatten sich betrunken. Sie hatten heimlich Alkohol rausgeschmuggelt, um zu saufen, zu rauchen, nach Jungs Ausschau zu halten.
»Sie waren sehr vergnügt und unterhielten sich über die Geschenke, die sie zu Weihnachten bekommen hatten, als ein Mann, der beiden unbekannt war, sich ihnen näherte und versuchte, sie in die Büsche zu locken, indem er ihnen Zigaretten anbot.«
»Hört euch das an!«, sagte Barbara. »Zum Paffen!«, als hätten Mädchen, die rauchten, es nicht besser verdient. Ich dachte an die Zigarettenstummel im Schuppen und biss mir auf die Zunge. »Ich gehe den Tisch decken. Trödelt nicht rum.« Sie verschwand in der Küche.
»Was gibt es?«, fragte ich Donald flüsternd.
Er verzog das Gesicht. »Corned Beef Hash.«
»Vernünftigerweise«, fuhr Terry fort, »akzeptierten die Mädchen das Angebot, um ihren Gesprächspartner nicht zu verärgern, und nach einer kurzen Unterhaltung ließ der Mann sie alleine und marschierte weiter in Richtung Zentrum. Die Polizei wertet nach wie vor die Aufnahmen der Überwachungskameras aus, aber was wir sicher wissen, ist, dass dieser Mann – Daniel Wilson – niemals nach Hause zurückkehrte.«
Der Film endete, und es wurde ins Studio geschaltet, wo Melanie und Dawn zwischen Terry und Fiona saßen. Fiona beugte sich vor und öffnete den Mund, aber Terry kam ihr zuvor, bevor sie etwas sagen konnte.
»Die Polizei weigert sich, dieser Spur nachzugehen, und natürlich darf ich vor der Kamera nicht alles sagen, bevor wir nicht mehr Beweise haben. Diese Einschränkungen gelten allerdings nicht für Sie, liebe Zuschauer. Rufen Sie uns an. Sprechen Sie mit uns. Möchten Sie, dass dieser Mann gefunden wird?«
Fiona runzelte die Stirn und blickte flehentlich zu jemandem hinter der Kamera, aber Terry fuhr fort: »Diese Überfälle betreffen nicht nur junge Mädchen, die Gefahr laufen, an der Schwelle zum Frausein Opfer zu werden.« Mit dem Arm machte er eine ausladende Geste in Richtung Melanie und Dawn, die zurückzuckten, um auszuweichen. »Meine Damen und Herren, diese Überfälle sind gegen uns alle gerichtet. Ich fühle mich angegriffen.« Terry starrte durchdringend zu uns aus dem kleinen Bildschirm, und ich fröstelte.
»Natürlich«, begann Fiona, »gibt es keine aktuel…«
»Ja, ja«, fiel Terry dazwischen. »Ein Sprecher der Polizei hat mehrfach wiederholt, dass es keine Beweise gibt für ein Fehlverhalten von Wilson und dass Selbstjustiz nicht geduldet wird«, sagte er.
Man konnte hören, dass ihm das nicht passte, an der Art, wie er es sagte. Terry lieferte immer eine gute Show ab – wenn er über das kalte Wetter berichtete, klang es wie ein persönlicher Affront, etwas, gegen das die Stadt etwas unternehmen sollte. Er hatte ein Gespür für Dramatik. Das rüttelte die Leute auf. Das brachte Dinge ins Rollen. Und als er eben den Kommentar der Polizei zitiert hatte, wonach Wilson nichts mit den Überfällen zu tun hatte, klang seine Stimme flach und unaufrichtig. Wir wussten, was er dachte, das war sonnenklar. Als Donald nach meiner Hand in meinem Schoß griff, zuckte ich zusammen.
»Du bist doch vorsichtig, wenn du abends mit dieser Chloe unterwegs bist, oder?«, fragte er.
Ich nickte langsam und bekam kaum mit, was Donald sagte, weil meine Augen gebannt auf die Mattscheibe gerichtet waren.
»Heute Nachmittag haben die Eltern des Vermissten einen emotionalen Informationsaufruf gestartet«, sagte Fiona.
Jetzt blendeten sie eine Aufnahme von Wilsons Mum und Dad ein. Donald bemerkte, dass ich ihn nicht beachtete, und nahm die Fernbedienung, um den Ton leiser zu stellen, aber ich wandte trotzdem nicht den Blick von den beiden – jünger, als ich sie mir vorgestellt hatte, ganz gewöhnliche Eltern, mit geröteten Augen und zitternd. Sie saßen an einem Tapeziertisch auf einem Podium vor einer Horde
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