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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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die Namen von Schauspielerinnen in einem Filmlexikon nachzuschlagen.
    Es gab Gerüchte. Angeblich fehlte ihm seit einem Unfall in seiner Kindheit ein Hoden, und deswegen fand er keine Freundin und lebte mit einer aufblasbaren Puppe zusammen, mit der er sich unterhielt und gemeinsam aß und mit der er auch alles andere tat. Außerdem versteckte er im Hinterzimmer verbotene Filme über Kühe, die in Schlachthöfen abgeknallt wurden, und Schwäne, die aus dem Kanal gestohlen und gequält wurden. Man brauchte einen Fünfer und musste den Schein auf eine bestimmte Art auf die Theke legen, die irgendwas mit dem Kopf der Queen zu tun hatte, dann rückte er solche Filme heraus.
    Das war wahrscheinlich Blödsinn. Alles. Er hat uns nie was getan, aber wir fanden ihn alle schräg und böse und finster. Die Polizei wusste das auch. Sie kannte seinen Ruf. Wusste, dass er uns Angst machte. Ich sah ihn anzüglich grinsen, als er Melanie und Dawn entdeckte, und mir wurde bewusst, während Terry ihn ausgewählt hatte, weil er äußerlich eine vage Ähnlichkeit mit Wilson hatte, dass die größte Gemeinsamkeit zwischen den beiden in den Gefühlen bestand, die sie in uns auslösten.
    »Während die Polizei weiter nach Vorschrift ermittelt, um das plötzliche Verschwinden des Vermissten aufzuklären«, sagte Terry feierlich, »muss sie zudem anderslautenden Gerüchten nachgehen, wonach es eine Verbindung zwischen Daniel Wilson und den jüngsten Vorfällen von unsittlicher Entblößung in den Parkanlagen und Grünflächen der Stadt gibt. Obwohl die Polizei im Zusammenhang mit den Übergriffen nach einem Mann von mittlerer Größe und Statur sucht und es scheinbar keine Beweise gibt, die mit dem Vermissten in Verbindung gebracht werden können, sieht es so aus, als hätten die Überfälle abrupt aufgehört, seit Wilson das letzte Mal gesehen wurde.«
    Donald zog seine Tasse heran und wärmte sich die Hände. Ich sah ihn an, konnte aber seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Barbara kam ins Zimmer, die oberen Zipfel eines Geschirrtuchs in ihre Hosentaschen gesteckt – eine provisorische Schürze.
    »Gibt’s was Neues?«, fragte sie.
    »Nein«, antwortete Donald. »Spekulationen und Irreführungen, wie immer.«
    Sie schlug ihm sanft auf die Schulter, als wollte sie sagen: »Was fällt dir ein?«
    Aber Donald hatte recht. Genau so, dachte ich, ist die Welt wirklich. Wir sollten das nicht vergessen. Terry hatte überhaupt nicht die Absicht, Wilson und seinen Eltern zu helfen. Andernfalls hätte er nicht den Kerl aus der Videothek ausgesucht, der bei uns zwangsläufig ein negatives Gefühl auslöste und uns vor Augen führte, warum wir gar nicht wirklich wollten, dass Wilson gefunden wurde.
    »Was sind das überhaupt für Männer, die junge Mädchen im Park belästigen? Das würde ich gern mal wissen«, sagte Barbara. »Ich hoffe, die kriegen ihn bald. Kein Wunder, dass er von zu Hause abgehauen ist und sich versteckt.«
    Wir verfolgten die Sendung weiter. Die Kameraführung war schlampig. Bei mehr als nur ein paar Einstellungen konnte man das Mikrofon am oberen Bildrand sehen. Sie hatten sich keine große Mühe gegeben mit den Kostümen – während Wilson/Videomann herummarschierte, flatterte seine Jacke auf und enthüllte ziemlich deutlich das blau-weiße T-Shirt, das jeder Mitarbeiter in der Videothek trug.
    Videomann taumelte, stolperte halb, als wäre er betrunken, auf die beiden Mädchen zu. Zuerst taten sie so, als würden sie ihn nicht bemerken. Dawn flüsterte Melanie etwas ins Ohr, und Melanie ließ ihre Haare ins Gesicht fallen und lachte. Ich fragte mich sofort, was Dawn wohl gesagt hatte – ob man die zwei gebeten hatte, für die Rekonstruktion nur so zu tun, als würden sie flüstern und kichern, oder ob sie wirklich über Videomann und seine Hoden und seine Gummipuppe oder was anderes tuschelten.
    Die gelbe Flasche Advocaat stand auf der Bank, aber trotzdem ein kleines Stück von ihnen entfernt, und obwohl die Kamera an das Etikett heranzoomte und Terry auf die Windmühle und den Markennamen hinwies, als liefe gerade Werbung und nicht die Nachrichten, rührte während der Dauer der nachgestellten Szene keins der Mädchen die Flasche an. Es war, als würde die Flasche jemand anderem gehören und Melanie und Dawn hätten sich nur zufällig danebengesetzt.
    »Wer ist dieser seltsame Mann dort drüben?«, fragte Dawn hölzern und deutete an der Kamera vorbei.
    »Keine Ahnung. Den habe ich noch nie gesehen«, antwortete Melanie.

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