Ich klage an
schlug, bis ich das Tuch abreißen konnte. Da nahm er meinen Kopf und knallte ihn an die Wand. Und noch einmal. Ich hörte ein Knacken und verlor das Bewußtsein. Schädelbasisbruch. Die zwölf Tage, die ich im Krankenhaus verbringen mußte, hat er bezahlen müssen. Plus Schmerzensgeld. Er konnte sich nirgendwo mehr zeigen, war für sein Leben gezeichnet. Das habe ich auf dem Gewissen: Ich habe jemanden bis aufs Blut gereizt.«
9,
»Ich beherrsche die Kunst des Lügens, aber als es nicht mehr nötig war zu lügen - es gibt keinen Gott, ich muß nicht die Wahrheit sagen, weil Gott es von mir will -, habe ich mich bewußt dafür entschieden, es nie mehr zu tun.«
10.
»Es hängt davon ab, was man begehrt. Ich würde gern, wie zum Beispiel Karl Popper, philosophische Texte schreiben. Dieser Schritt - in die Politik zu gehen - schadet also paradoxerweise meinem Ideal. Am liebsten möchte ich Philosophin werden und meine eigenen Theorien ausarbeiten. Ich hätte gern einen Raum zum Schreiben, jemanden, der für mich saubermacht, keine Sorgen um mein tägliches Brot, ich möchte echte Debatten führen, statt nur über nichts zu reden. Das wird mich am Ende glücklich machen.«
Bin Ladens Alptraum
Es fällt mir auf daß du in deinem Buch deine »Mitmuslime« ansprichst. Betrachtest du dich noch immer als Muslima?
Ja, ich bin eine Muslima. Das will ich auch sein, denn ich bin davon überzeugt, daß wir den Islam reformieren können. Glaub mir, nachdem ich der Schule verwiesen wurde, habe ich ganz allein mehr über den Islam gelernt, als alle Muslime innerhalb der Schulmauern es können. Wenn mehr Muslime das einmal täten, selbst nachdenken, dann sähe unsere Religion ganz anders aus. Ich habe gemerkt, daß viele junge Muslime das auch wollen. Wenn ich an Universitäten Vorträge halte, kommen hinterher Studenten zu mir. »Hilf uns«, sagen sie. »Wir brauchen Luft in dieser erstickenden Religion.« Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben.
Aberßhlst du dich als Muslima, weil es Teil deiner Identität ist, oder einfach, weil du in diesem System erzogen worden bist?
Nein, es geht nicht um Identität. Es geht mir um die Menschenrechte. Ich kann nicht stillhalten, wenn ich sehe, wie Frauen im Namen des Islam gedemütigt werden. Ich sage auch immer zu meinen Mitmuslimen: Seid nicht so egoistisch. Steht auf und bezieht Stellung! Frauen, die Kopftücher und Niqaabs (Schleier, der vollständig das Gesicht und die Hände und Unterarme bedeckt, A. d. Ü.) tragen wollen, sagen immer zu mir, das sei ihre eigene Sache. Aber dann antworte ich darauf: Daß du selbst entscheiden kannst, diese Kleidung zu tragen, ist schön für dich. Aber denke an deine Schwestern, die unter einem Regime schmachten, wo sie dieses Kopftuch tragen müssen, wo sie unterdrückt und mißhandelt werden, wenn sie es nicht tun. Kämpfe für sie. Der Prophet Mohammed hat gesagt: Religion ist die Art, wie wir uns anderen gegenüber verhalten. Kurz und gut: Wenn du dich nicht deiner Verantwortung stellst, bist du keine Muslima.
Aber Mohammed hat auch ein neunjähriges Mädchen geheiratet. Ist das nicht schrecklich?
Natürlich. Ich kenne Mohammed auch nicht, ich habe den Typ noch nie getroffen. Ich kann nicht beweisen, ob er ein Feminist war oder im Gegenteil frauenfeindlich. Aber im Koran stehen eine Reihe sehr progressiver Aussagen von ihm. Ich frage deshalb immer die muslimischen Männer: Warum trägst du einen Bart und arabische Kleidung aus dem siebzehnten Jahrhundert, aber hältst dich nicht an die fortschrittlichen Ideen, die Mohammed ebenfalls in den Koran geschrieben hat?
In der Theorie ist der Islam eine wunderbare, tolerante Religion. Das Problem ist allerdings, daß diese wunderbare Religion vom arabischen kulturellen Imperialismus beherrscht wird. Dieser schreibt den Frauen vor, daß sie für die Familienehre ihre Individualität aufgeben müssen, und das macht sie zum kollektiven Eigentum. Ein vergewaltigtes Mädchen, das hundertachtzig Peitschenschläge bekommt, weil sie Sex vor der Ehe gehabt hat. Von so etwas müssen wir wegkommen.
Doch das ist sehr schwierig. Der Islam hat sich aus der arabischen Kultur entwickelt. Vor dem Jahr 610, als ein Mann in einer Höhle ein paar Ideen hatte, gab es keinen Islam.
Und deshalb ist die Erneuerung des Islam so schwierig. In der arabischen Kultur wird das eigene Nachdenken nicht gefördert. Trotzdem ist es die einzige Chance, die der Islam hat. Milliarden von Muslimen dazu zu bringen, selbst zu
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