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"Ich laufe, um zu laufen ...": Eine Frauen-Laufen-Anthologie (German Edition)

"Ich laufe, um zu laufen ...": Eine Frauen-Laufen-Anthologie (German Edition)

Titel: "Ich laufe, um zu laufen ...": Eine Frauen-Laufen-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mahlstedt
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wieder einen Lacherfolg. Tatsächlich soll er in einer Einrichtung mit krebskranken Kindern leben, für die er noch als Buchhalter tätig ist. Er selbst bezeichnete in einem Zeitungsinterview Ultraläufer als Verrückte -, die aber niemandem etwas zuleide tun. Da mag etwas Wahres dran sein.
    Für Else Beyer wurde in einer Nacht eine große 69 mit Windlichtern im Inneren der Bahn aufgestellt. Um Mitternacht haben alle auf der Bahn angehalten und auf ihren Geburtstag angestoßen. Sie beging ihn ganz bewusst während ihrer Lieblingsbeschäftigung. Schon seit einigen Jahren trägt sie beim Laufen einen langen Faltenrock und istdamit in der Szene unverwechselbar. Sie hat deutsche Rekorde in der Altersklasse aufgestellt, sagte unterwegs aber öfter, dass sie müde sei und im Grunde lieber mit ihrem Mann, der sie immer unterstützte, gemütlich wandern gehen würde. Am folgenden Wochenende wollte sie aber schnell noch an den Deutschen Meisterschaften im 24-Stundelauf in Berlin teilnehmen.
    Auch Barbara Becker hatte ihr ureigenes Ziel. Sie wollte 500km schaffen, kämpfte und hat sie sogar gut überschritten. Sie ließ sich kaum von Mike oder Leif behandeln, sondern kümmerte sich immer selbst am Bahnrand unermüdlich um ihre Blasen. Ihr Mann, der sie zum Ultralaufen gebracht hatte, unterstützte sie fast Tag und Nacht und schlief oft direkt an der Bahn.
    Tom, ein weiterer fast 80-jähriger Brite, schien durch Hochrechnungen davon bedroht, seinen vorgeschriebenen Marathon am letzten Tag nicht zu schaffen. Damit wäre der Lauf insgesamt für ihn nicht gewertet worden. Das wollte natürlich niemand. Auch er ging vor Anstrengung schief und kam deswegen nur noch schlecht voran. Fast alle halfen wir ihm bei der Bewältigung seines Marathons, indem wir ihn abwechselnd hin und wieder eine Runde stützten, um ihm dadurch den Vortrieb zu erleichtern.
    Zwei Stunden nach der Siegerehrung beim gemütlichen Zusammensitzen fiel mein Blick noch einmal auf die Bahn, die ich doch lange genug kennengelernt hatte. So einsam, wie sie dort jetzt lag, schien sie mir wieder fremd. Der Lauf an sich war schon wieder verflogen und so wenig vorstellbar wie vorher. 6-Tageläufe kann man anscheinend nicht verstehen, sondern nur laufen – oder auch nicht.
    Heute fällt mein Blick nur noch ganz selten auf den Pokal, den ich für 557,780 Kilometer bekommen habe. Ein klein bisschen stolz darauf, was mein Körper alles so mitmacht, und verwundert bin ich allerdings noch immer.
     
Alte Ost-West-Liebe
    Sofort nach ihrem Zieleinlauf auf der großen Wiese oberhalb des Sees trinken Marco und Steffi Unmengen von Wasser und alkoholfreiem Weizenbier. Aus dem Gewühl der Sportler, die an Getränkeständen anstehen, verschwinden die beiden schnell hinunter auf eine abgeschiedene Wiese an den See, um sich abzukühlen. Ihre nass geschwitzten Trikots spülen sie im Wasser kurz durch und hängen sie zum Trocknen an einem knorrigen Baum auf. Seine Wurzeln ragen bis ins Wasser. Die Sonne brennt vom Himmel. Sein kräftiges Blau erinnert an südlichere Gefilde. Dagegen das Grün der Bäume und Sträucher am Ufer, ein perfekter Kontrast. „Jaaa, dieser See! Einfach immer wieder gut!“
    Einzelne Wortfetzen wehen aus dem Lautsprecher des Zieleinlaufsprechers vom Hügel hinunter. Er kündigt immer noch Läufer an, während Steffi und Marco in Gedanken schon beim Abend im Festzelt sind, auf dem sogenannten Sportlerball. Eine hochtrabende Bezeichnung für ein Fest, bei dem es zugeht wie auf einer Dorfdisko. Die begehrten Eintrittskarten für fünf Euro haben sie sich bereits am Morgen gesichert.
    Abgekühlt, aber doch noch erschöpft zerren sie kurze Hosen und TShirts aus dem Durcheinander ihres Kofferraums. Direkt neben dem Auto ziehen sie sich um. Das kleine Blaue ist wie im vergangenen Jahr so rasant schnell im Schatten der Bäume aufgebaut, dass Steffi sich wie vom Tonband ständig wiederholt, sie sollten doch öfter zelten. Der Luxus, sich so schnell ein Dach über dem Kopf schaffen zu können, müsse ausgekostet werden. Der Geruch von Freiheit liegt in der Luft. Dabei sind sie kaum 60 Kilometer von zu Hause entfernt. Steffi steht dem Fest am Abend wie ein Kind dem Abenteuer gegenüber. Sie weiß, dass auch Ingo und Renate da sein werden. Isomatten und Schlafsäcke schaffen sie die 20 Meter vom Auto noch ran wie auch Duschzeug und frische Klamotten zum Anziehen fürs Fest.
    Das Probeliegen dehnen sie aus, erzählen sich dies und das. Manchmal schweigen sie bei geschlossenen

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