Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich lebe lebe lebe - Roman

Ich lebe lebe lebe - Roman

Titel: Ich lebe lebe lebe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison McGhee
Vom Netzwerk:
Wegwerfen.
    »Es ist aber nicht möglich«, sagt er.
    »Aber wenn. Du kannst es dir ja mal vorstellen. Worauf wärst du bereit zu verzichten?«
    »Großer Gott, Rose. Auf alles.«
    Das ist seine Antwort. Alles. Er denkt nicht mal nach. Nicht mal pro forma, wie William T. gesagt hätte. Würde sich nicht drauf einlassen, auf diesen endlosen Prozess. Die endlose Folge von was, wenn und aber wenn und wenn dies, dann nicht das.
    »Du würdest also auf alles verzichten, egal was?«
    Seine Finger hören auf, den Zettelberg durchzublättern. Er beugt sich zu mir vor, über die Ladentheke.
    »Es gibt nichts, worauf ich nicht verzichten würde.«

6
    »Du kannst nicht den Rest deines Lebens zu Fuß überallhin gehen, Kleine«, sagt William T. »Es gibt Zeiten, da braucht der Mensch einfach ein Auto.«
    Er sitzt auf seinem blauen Stuhl, ich auf meinem grünen Stuhl mit den Chromlehnen. Eine Hand habe ich auf Ivys Bett liegen, auf ihrem Bein unter der weißen Decke und dem weißen Laken.
    »Die Bewohner von Pompeji hatten keine Autos«, sage ich.
    »Das meine ich ja. Hätten die in Pompeji Autos gehabt, dann hätten sie sich doch verflucht noch mal aus dem Staub machen können. Wären zu irgend so einem Olivenhain gefahren und hätten sich da in den Schatten gelegt.«
    »Ich will nicht fahren, William T.«
    »Das weiß ich, Kleine. Trotzdem.«
    Er hält mir das vom Straßenverkehrsamt des Staates New York herausgegebene Handbuch für Autofahrer hin, in dem alles steht, was man für die Fahrprüfung wissen muss.
    »Hier«, sagt er, »lern mal die Verkehrsregeln. Falls du es dir dann eines Tages doch anders überlegst, dann kennst du dich schon aus.«
    Der Wagen, in dem Ivy und ich saßen, war ein Kombi. Jetzt ist er bloß noch ein Haufen zerquetschtes Blech, das mal ein Kombi war. In meiner Vorstellung war unser zerquetschter Wagen einperfektes Quadrat, so eins wie in Mathebüchern für die dritte Klasse. Jede Seite ein Zoll. Berechne den Umfang des Quadrats.
    Wenn du ein Drittklässler wärst, würdest du die Länge aller vier Seiten addieren, so wie die Lehrerin es dir gesagt hat:
    1 + 1 + 1 + 1 = 4
    Wenn du Ivy als Drittklässlerin wärst, würdest du einen Blick drauf werfen und »Vier« sagen.
    Ivy hielt sich nicht lange mit Rechenverfahren auf. Die Leute, die die Mathebücher geschrieben hatten, wollten das zwar so, aber Ivy war das egal. Statt das Einmaleins so zu lernen, wie man es laut Buch sollte – indem man zunächst die zugrunde liegende Idee begriff (mithilfe aller möglichen Kniffe) –, setzte Ivy sich einfach hin und lernte die Multiplikationstabelle auswendig. Sie schrieb sich die Einer- bis Zwölferreihen auf Karteikarten und paukte sie dann eine Woche lang. Jeden Nachmittag nach der Schule, jeden Morgen nach dem Frühstück, jeden Abend nach dem Essen, bis sie sie alle auswendig wusste. Fertig.
    Ich schlage das Handbuch aufs Geratewohl auf.
    Wenn Sie aus einer Einbahnstraße nach links in eine zweispurige Straße einbiegen wollen, tun Sie das entweder von der linken Spur oder vom linken Rand der einzigen Fahrspur aus. Beim Überqueren der Kreuzung befahren Sie die zweispurige Fahrbahn rechts von der Mittellinie, jedoch möglichst nahe an dieser. Achten Sie auf Verkehrsteilnehmer, die sich von links nähern, besonders Motorräder. Herannahende Motorräder sind schwer zu erkennen, vor allem ihre Entfernung und Geschwindigkeit sind schwer einzuschätzen.
    »Lies laut«, sagt William T. »Vielleicht kann ich auch noch was lernen.«
    »›Einfache, durchbrochene Linie‹«, lese ich. »›Sie können andere Fahrzeuge überholen oder die Spur wechseln, soweit das gefahrlos möglich ist und den fließenden Verkehr nicht behindert.‹«
    »Was für ein Schwachsinn – das weiß ja wohl noch der letzte verdammte Idiot!«
    »›Wenn zwei Fahrzeuge sich aus entgegengesetzten Richtungen einer Kreuzung nähern, von denen eines geradeaus fahren, das andere links abbiegen will, wer muss dann dem anderen Vorfahrt gewähren?‹«
    »Himmelherrgott. Frag doch mal was, was ich nicht weiß.«
    »Wie geht das Handsignal zum Rechtsabbiegen?«
    William T. runzelt die Stirn. Er hebt die linke Hand in die Luft und betrachtet sie eingehend, lässt sie sinken, dann streckt er sie aus.
    »Verflucht, ich glaube, jetzt hast du mich kalt erwischt, Kleine.«
    »War nicht so schwer. Einen Vierteldollar bitte.«
    »Und die Antwort?«
    Ich wedle mit dem Handbuch vor seinem Gesicht. »Hier, lies mal die Verkehrsregeln. Du könntest noch was

Weitere Kostenlose Bücher