Ich lieb dich, ich lieb dich nicht (German Edition)
meisten sind schon da, meine Eltern, Tante Ilse, Luzie und Matze inbegriffen – hat er sich noch immer nicht blicken lassen. Langsam wundere ich mich, denn normalerweise gehört Ingo immer zu denjenigen, die superpünktlich zum Partybeginn auftauchen und noch helfen, Chips und Flips in Schälchen zu füllen und zu verteilen. Kurz gesagt: Normalerweise ist er da eher uncool.
Er wird schon noch kommen, beruhige ich mich selbst. Dein bester Freund wird ja wohl kaum unentschuldigt deinem Geburtstag fernbleiben, oder?
Gegen dreiundzwanzig Uhr bin ich mir nicht mehr so sicher, ob mein bester Freund das nicht doch tun würde. Momentan sieht es jedenfalls fast danach aus. Das Essen ist vorüber, mittlerweile haben die Leute angefangen, im frei geräumten Kaminzimmer zu tanzen. Der DJ, ebenfalls ein Verflossener von mir, zieht die Regler bis zum Anschlag auf. Einer der wenigen Vorteile der seriellen Monogamie: Über die Jahre sammeln sich Typen aus allen möglichen Branchen an, sodass man für jeden Anlass die passenden Leute kennt. Ralf gibt jedenfalls sein Bestes und heizt den Leuten ordentlich ein. Alle amüsieren sich – nur ich nicht. Dabei ist es doch mein Geburtstag, ich finde das gerade etwas unfair.
Notiz an mich selbst:
Happy Birthday, Carla!
»Wirklich ein nettes Fest.« Tante Ilse steht neben mir und prostet mir zu.
»Hm«, gebe ich einsilbig zurück.
»Gefällt’s dir nicht?«
»Doch, doch«, murre ich.
»Was ist denn los? Du kannst mir doch nichts vormachen.«
»Ach, ich ärgere mich nur über Ingo. Und ich frage mich, wo er steckt.«
»Der kommt schon noch«, beruhigt sie mich.
»Ja, sicher.« Aber es sieht fast so aus, als würde Tante Ilse recht behalten. Denn sie hat den Satz noch nicht beendet, da öffnet sich die Tür zum Restaurant – und herein kommt Ingo. Atemberaubend sieht er aus in seinem dunklen Anzug und dem weißen Hemd, so schick habe ich ihn noch nie gesehen. Ist das Armani, oder was? Wo hat er den nur her? Und warum dieser plötzliche neue Style? Er winkt mir zu und kommt zu uns rüber.
Und dann sehe ich es. Das, was neben Ingo auch noch relativ atemberaubend ist: das zierliche Geschöpf, das er im Schlepptau hat. Nicht nur im Schlepptau: Er hat es an der Hand. Sehr blond, sehr langhaarig, sehr Mitte zwanzig. Schon ihr Anblick reicht, damit sich jede Durchschnittsfrau wie eine Unterdurchschnittsfrau fühlt. Also genau die Sorte Püppchen, der man extrem gern gegenübersteht.
»Alles Liebe zum Geburtstag, Carla«, sagt Ingo lächelnd und drückt mich kurz an sich. Dann überreicht er mir einen Strauß Blumen (nicht aus unserem Laden!) und ein eingepacktes, ich tippe mal, Buch. Tja, und dann kommt der allerschönste Moment des Abends: Er schiebt das blonde Engelsgeschöpf zu mir und sagt: »Darf ich vorstellen? Das ist Julia, meine neue Freundin.«
»Wieso hast du mir nicht schon früher von ihr erzählt, sondern konfrontierst mich an meinem Geburtstag damit, dass du wieder eine Freundin hast? Findest du das okay?« Wütend blitze ich Ingo an, den ich kurzfristig in die Küche gezerrt habe, um mit ihm unter vier Augen reden zu können.
»Mein Gott, Carla«, erwidert er, »ich hätte nicht gedacht, dass es dich so aufregt.«
»Es regt mich auch nicht auf«, lüge ich. »Aber als deine beste Freundin hätte ich irgendwie schon erwartet, dass du mir erzählst, wenn du eine Frau triffst.«
»Ich habe Julia erst vor zehn Tagen kennengelernt und wollte erst einmal gucken, ob überhaupt was daraus wird. Ich wollte sicher sein, dass es etwas Ernstes ist, bevor ich irgendwem davon erzähle.« Okay, das verstehe ich sogar. Ein kleines bisschen vielleicht. Wobei ich mich aber auf der anderen Seiten nicht für »irgendwen« halte.
»Und?«, frage ich. »Ist es was Ernstes?«
Er nickt. »Ja, das ist es. Ich bin total verliebt in Julia, sie ist wirklich eine tolle Frau. Und ich denke, sie ist auch in mich verliebt. Zumindest hoffe ich das.«
»Aha.« Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Und wer ist sie?«
Ingo lacht. »Bin ich jetzt vor Gericht, oder was?«
»Ja«, antworte ich knapp, »bist du.«
»Na gut. Sie ist achtundzwanzig, studiert Theaterwissenschaften und ist ganz offensichtlich bezaubernd.« Da hat er leider recht, das ist sie.
»Woher kennst du sie?«, fahre ich mit meiner Befragung fort.
»Das wird mir jetzt zu blöde«, stellt Ingo bockig fest. »Ich bin doch hier nicht beim Verhör.«
»Tut mir leid«, sage ich schnell. »Ich will doch nur sicher
Weitere Kostenlose Bücher