Ich liebe dich, aber nicht heute: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
»Ich bin seit Stunden auf den Beinen.«
Er sah sich um. »Es ist leider kein Tisch mehr frei«, sagte er. »Ich könnte höchstens eine Flasche Wein kaufen und eine Parkbank vorschlagen oder einen kleinen Tisch auf einem dieser Balkone, aber da habe ich leider keine Verbindungen.«
Lianes Blick folgte seinem Zeigefinger. Er hatte genau auf ihren Balkon gezeigt. Zufall?
»Hm.« Sie zögerte.
»Was würde Sie denn antörnen?«, wollte er wissen. »Wenn Sie bei Ihrem Mann alles haben und genießen, wäre es vielleicht Sex mit mehreren Männern? Oder ein Swingerclub oder ein Blind Date?«
»Was für Themen für zwei, die sich zum ersten Mal begegnen!«
»Haben Sie mit Ihren Freundinnen schon darüber gesprochen? Oder mit einem Freund?«
Nein, tatsächlich, das hatte sie nicht. Sie hatte es einfach nur ausprobieren wollen.
»Sehen Sie«, fuhr er fort, ohne auf eine Antwort zu warten, »das sagt doch alles. Sie werden Ihren Freunden Ihre geheimsten Wünsche gar nicht offenbaren, weil die sonst einen Blick hinter Ihre Kulissen werfen könnten. Und das können Sie dann nicht mehr rückgängig machen.«
»Studieren Sie Psychologie?«
»Nein, das Leben.«
»Und jetzt wollen Sie mir Ihre Dienste anbieten?«
Er schmunzelte. »Nein. Ich finde es nur interessant, die Dinge mal aus dem Mund einer Frau zu hören. Wir beide können offen zueinander sein, ohne dass wir uns etwas vergeben. Wir kennen uns ja nicht.«
Liane holte tief Luft. »Ich glaube, ich brauch doch noch was zu trinken. Die Nacht ist warm, man trocknet förmlich aus.«
Er lächelte noch immer. »Und das darf natürlich nicht sein …« Er drehte sich um, und in diesem Moment kam die Chefin heraus, um nach ihren Gästen zu sehen.
»Alles gut?«, fragte Tamara, und der wohlwollende, fragende Blick, den sie Lianes Begleitung zukommen ließ, verriet Liane, dass sie den Mann nicht kannte. Also war er zumindest kein Stammgast und wahrscheinlich nicht einmal einheimisch. Ein Tourist, den es zufällig an den Nebentisch gespült hatte.
»Darf ich dir noch was bringen?« Sie zeigte auf Lianes leeres Glas.
»Eigentlich suchen wir eine Sitzgelegenheit«, mischte sich ihre neue Bekanntschaft ein.
»Und wieso geht ihr dann nicht hoch?« Tamara wies auf Lianes Balkon. »Ich kann euch ja eine Flasche mitgeben, falls dir der Vorrat ausgegangen ist …« Sie zwinkerte Liane zu.
Ah, ganz offensichtlich will sie mir was Gutes tun, dachte Liane, während sein Blick nach oben wanderte und gleich darauf in ihre Augen.
»Na, so ein Zufall«, sagte er.
Tamara, die kurz Bekannte am Nebentisch begrüßt hatte, nahm den Faden wieder auf. »Eine Flasche Grauburgunder vielleicht?«
Liane schüttelte den Kopf. »Danke, bin noch versorgt.«
»Na denn, viel Spaß«, sagte Tamara und kümmerte sich wieder um ihre anderen Gäste.
So, und jetzt?
»Jetzt überlegen Sie, ob Sie einen Fremden so einfach mit auf Ihren Balkon nehmen können«, sagte er, und sein Blick hatte einen leicht spöttischen Ausdruck. Oder war er herausfordernd?
»Ja, genau, das tue ich.«
»Sie könnten sich natürlich auch allein auf Ihren Balkon setzen, aber damit wüssten Sie ja nicht, wie Männer übers Fremdgehen denken.«
»Sind Sie liiert?«
Er musste lachen. »Denken Sie jetzt, ich brauch was Prickelndes? Nein, das wäre eben nicht prickelnd, weil es ja keinerlei Gefahren birgt. Ich bin in einer fremden Stadt, wäre in einem fremden Apartment, nichts könnte mich überraschen – außer natürlich«, wieder traf sie sein Blick, diesmal empfand ihn Liane eher als charmant, »außer natürlich Ihre Leidenschaft. Aber damit hätten wir einfach nur Sex gehabt, verstehen Sie? Aber das ist ja nicht das, was Sie wollen.«
»Schreiben Sie gerade eine Doktorarbeit darüber?«
»Nein.« Er schmunzelte. »Volkswirtschaft. Philosophie ist das Gegengewicht, mein Ausgleich zur Statistik. Ich bin einfach nur an einem Gespräch mit Ihnen interessiert.«
Was konnte schon passieren, dachte Liane. Sie würden dort oben auf dem Balkon sitzen, in aller Öffentlichkeit.
»Und Sie trauen sich, mit mir aufs Zimmer zu gehen?«
Das Kerzenlicht auf ihrem Tisch flackerte, und er beugte sich etwas näher zu ihr. »Ich weiß, dass Frauen gefährlich sind. Das hat ja all die Jahrhunderte zur weiblichen Unterdrückung geführt, denn ich bin nicht der erste Mann, der das erkennt. Trotzdem lasse ich mich auf Ihr Angebot ein.«
Als sie mit ihm auf ihr Haus zuging, hatte sie das Gefühl, nun würden sich alle Blicke in ihre
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