Ich liebe dich, aber nicht heute: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
meinst du Jürgen?«
»Ach, nee. Hab falsch gedacht.«
Es war kurz still am anderen Ende. »Jürgen ist jedenfalls da, falls dich das interessiert. Rudi hat ihn heute Morgen am Hafen getroffen.«
Anscheinend haben die alle nichts zu tun, dachte Liane. »Ich hab dir das schon mal gesagt, Jürgen hat ganz andere Probleme, als sich in mich zu verlieben. Und er ist nett, aber überhaupt nicht mein Typ!«
»Wer ist denn dann dein Typ? Niklas?«
»Niklas?« Nein, jetzt wurde es ganz kunterbunt. »Nein, Niklas auch nicht. Marius ist mein Typ.«
»Er ist dein Typ, und trotzdem habt ihr euch getrennt? Muss man das verstehen?«
»Nein, Biggi, das muss man nicht.«
Biggi brummelte etwas von Zeit und Teig, und Liane verstand dies als eine andere Form von Verabschiedung.
Mit dem Handy in der Hand stand sie an der Balkontür. Das durfte doch nicht wahr sein. Jetzt hatte sie alle Möglichkeiten, einen ganzen Abend zur alleinigen Verfügung, und es fiel ihr nichts ein. Bei allem, was ihr einfiel, verspürte sie nur gähnende Langeweile. Wie wäre es mit einem Buch? Aber das war etwas für Regentage. Jetzt musste sie raus, unter Menschen gehen, sich treiben lassen. Treiben – ja, aber wohin? Und was sollte sie dort, wo sie dann ankam?
Sie stand sich selbst im Weg. Schließlich nahm sie eine leichte Jacke, steckte Geld ein und zog die Tür hinter sich zu. Sie musste diesem trüben Zustand ein Ende machen. Am besten spazierte sie einmal durch die Stadt und trank zum Ausklang bei Tamara ein Glas Wein. So wie sie das ursprünglich vorgehabt hatte. Und für eine Person fand sich immer ein Platz.
Sie spazierte am Hohen Haus vorbei in Richtung Münsterplatz, belauschte ein Ehepaar, das sich gegenseitig über die Konstanzer Geschichte aufklären wollte, schmunzelte, weil jeder recht haben wollte und trotzdem nichts stimmte, bog in die Niederburg ein, den ältesten Stadtteil von Konstanz, freute sich über die schönen alten Häuser und ging langsam und über einige Umwege zurück. So, gelaufen war sie jetzt genug, langsam setzte die Dämmerung ein, und sie empfand noch immer kein befreites Gefühl. Bei Tamara, der Weinstube in ihrer Nachbarschaft, stellte sie sich draußen auf der Gasse an den einzigen freien Stehtisch, bestellte ofenfrische Dünnele und ein Glas Grauburgunder der Spitalkellerei Konstanz und spürte mit jedem Schluck die Heimat. So, dachte sie. Royal Birkdale, Rom, Alexej Komarow, alles Quatsch. Sie war beruflich genug unterwegs, was musste sie privat noch dem Abenteuer nachjagen?
Sie bemerkte es mehr aus dem Augenwinkel, als dass sie es wirklich sah. Jemand betrachtete sie von der Seite, zögerte und kam dann entschlossen zu ihr an den Tisch. »Entschuldige, wenn ich störe …«
Sie drehte sich zu ihm um. »Jürgen!«
»Ja, ich hab dich eben stehen sehen und …«
»Schon gut. Ich weiß, welche Lawine Cindy da losgetreten hat.«
Er zuckte mit den Schultern. Blass sah er aus, und seine graublauen Augen waren eine Spur dunkler, als sie sie in Erinnerung hatte. Sein sensibler, weich geschnittener Mund hat mich also nicht getäuscht, dachte Liane, er war ein Mann, der leiden konnte, und das tat er offensichtlich gerade.
»Darf ich dich auf ein Glas Wein einladen?«, fragte er.
Liane deutete auf ihres. »Danke«, sagte sie, »mehr möchte ich nicht.«
Er winkte der Bedienung und bestellte sich ebenfalls ein Glas Grauburgunder. Dann sah er sie schweigend an. Inmitten dieser vielen Menschen wirkte er total einsam.
»Dir geht es nicht gut«, sagte Liane schließlich.
»Nein, wirklich nicht.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Und das hat nichts mit der Gerüchteküche um uns beide zu tun. Das ist mir völlig egal, und ich hoffe, dir auch.«
»Nun stehen wir hier ja auch prima im Mittelpunkt.« Liane hob beide Hände. »Sozusagen an exponierter Stelle.«
Er ließ kurz seinen Blick schweifen. »Na ja, es wird Wasser auf ihre Mühlen sein, aber wir beide wissen, dass es anders war.«
Und überhaupt, dachte Liane, dass überhaupt jemand auf diese Idee kommen konnte? Jürgen sah nicht schlecht aus, aber Marius oder Riley waren einfach interessanter. Jürgen ließ eher den biederen Hausmann vermuten, der eine abgesicherte Existenz bot, aber alles genau abgesteckt hatte: seinen Urlaub, sein Boot, seine Beziehung. Viele Überraschungen gab es da bestimmt nicht mehr.
»Was denkst du?« Er hatte sie beobachtet.
»Ich frage mich, weshalb du so traurig aussiehst? Was ist passiert?«
»Cindy ist abgehauen. Sie hat
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