Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone
bringt sich gezwungenermaßen selbst auf Trab. Und die gesunde Bergluft soll, so eine Untersuchung der Uni München, zumindest den Flachlandtirolern zunächst einmal auf den Appetit schlagen – wegen des ungewohnt geringen Luftdrucks. Dazu kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Das gilt nicht für jeden …
Als Bub aus dem Mittelgebirge habe ich Touris in frisch gekauften, blasenfreundlichen Wanderschuhen von frühester Jugend an studieren dürfen. Zu erkennen sind die Herrschaften meist an Stock, Hut und Rucksack – alles nagelneu – und, nach wenigen Kilometern, am humpelnden Gang. Egal ob im Harz, im Sauerland oder in den Alpen: Die beliebtesten Routen sind in der Regel nicht etwa die landschaftlich schönsten oder anspruchsvollsten, sondern die, die auf dem kürzesten oder steigungsärmsten Weg zum nächsten Ausflugslokal führen .
Schließlich ist die Luft in den Bergen dünn und die Füße sind schon beim Start wegen des ungewohnt betonfesten Schuhwerks schwer. So wird nach wenigen Kilometern zur Gewissheit, dass die ortsansässige Mafia unliebsame Urlauber mithilfe von Wanderkarten in die Wildnis lockt, um die Hilflosen und Erschöpften im nächsten Gebirgsbach auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen.
Dagegen hilft nur eins: viel ausruhen, um bei Kräften zu bleiben. Wie gut, dass sich auf dem Weg zur Hütte eine Bank an die nächste reiht – in Sichtweite angeordnet und zum Pausieren einladend. Und damit der
Wander-Eleve seine Auszeit nicht untätig vergeudet, hält er im Rucksack extra eine ansehnliche Zahl an Wurstsemmeln und Bierflaschen (bei den Jüngeren: Powerriegel und Energy Drinks) vorrätig. Und am Ziel wird zur Feier des Ankommens noch einmal kräftig regional Deftiges getafelt. Vom Hunger nach dem Wandern lebt die ortsansässige Gastronomie nicht schlecht, sodass die Plackerei in jedem Fall etwas Gutes hat. Wenn schon nicht für den Wanderer, so wenigstens für den Wirt.
Die typischen Erinnerungsfotos, die den Urlauber modisch voll ausgestattet bis zum Gamsbart am Hut und natürlich vor dem schwindelerregenden Panoramablick ins Tal zeigen, entstehen übrigens meist nach einer gemütlichen Bus- oder Gondelfahrt. Zumindest diejenigen, auf denen der Urlauber extrem erholt aussieht – zu erholt für eine stundenlange Bergaufkraxelei.
Trotzdem – oder gerade deshalb – erfreut sich das Gipfel- beziehungsweise Hügelstürmen einer allgemeinen Renaissance. Ältere Herrschaften sind fast schon in der Minderheit, und »spießig« war gestern: Heute überwiegen auf dem Hochgebirgs-Catwalk garantiert knickerbockerfreie High-Tech-Klamotten von Ausstattern mit fetten Hochglanzkatalogen und ebensolchen Preisen. Durch die Natur zu marschieren ist in, denn man kann beim meditativen Trott nicht nur telefonieren, sondern, so verkünden Lifestyle- und Fithaltemagazine, genauso viel abnehmen wie beim Joggen.
Das ist theoretisch sogar korrekt – jedenfalls für diejenigen, die Wurstsemmeln, Energy Drinks und Kräuterliköre nicht nur auf dem Weg, sondern auch am Ziel weglassen, die ihre Schuhe vor der Reise im Wohnzimmer einlaufen und die Hügel zu Fuß und nicht im Bus erklimmen. Dann vielleicht. Ach ja, und die den Spaß am besten auch noch ohne Vollpension buchen.
Apropos »Vollpension«: Nur wer ganz sicher gehen will, dass er auch nicht ein Gramm Körpergewicht verliert, bucht einen All-inklusive-Pauschalurlaub. Denn im Verlauf eines solchen wird die Figur von der ersten Stunde an mit Kalorien bombardiert. Kaum ist der Kennlern-Cocktail in der Lobby heruntergestürzt, wird für die von der Anreise völlig ausgehungerten Neuzugänge der Run aufs Buffet eröffnet. Danach heißt es vierzehn Tage lang rund um die Uhr: futtern ohne Limit, alles was die Hotelküche hergibt.
Wer sich, wie ich, eine normale Portion auffüllt, womöglich sogar mit Kaninchenfutter oder, falls überhaupt vorhanden, magerem Fleisch, der wird entweder als magenkrank bemitleidet oder als Vollidiot, der sein Geld zum Fenster hinauswirft, abgestempelt. Schließlich muss sich das »All you can eat«-Paket auch lohnen, man hat ja dafür gezahlt!
Da der Mensch zudem ein Herdentier und Futterneider ist, wird der Teller grundsätzlich so voll gepackt, dass die Last so gerade eben noch gewuchtet werden kann. Auch hier gilt: »Übung macht den Meister« – und bald können die ersten Gäste bereits zwei Teller, jeder in etwa so schwer wie eine Zehn-Kilo-Hantel, zum Tisch balancieren. Ein Schelm, der das für
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