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Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone

Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone

Titel: Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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noch drei Pommes, wenn ich aufs vierte Fleisch verzichte?« – »Wie ist das denn mit Oliven? Sind da Kohlenhydrate drin?« Mir ging’s wie dem Arzt auf einer Party von Nicht-Ärzten: »Hier hinten zieht’s bei mir immer so komisch, Herr Doktor, könnten Sie da nicht mal gucken?« – Nur dass der Partyarzt vermutlich nebenbei weiteressen darf, während ich sehen musste, wie ich mich am schnellsten davonmachen konnte. Ich habe dann statt Kartoffelsalat den Hinterausgang genommen.
    So ist das. Sobald ich irgendwo enttarnt worden bin, bleibt mir nur noch der strategische Rückzug. Denn andernfalls erscheint wenig später die Gastgeberin auf der Bildfläche. Wutentbrannt. Wie ich denn bloß hereingekommen sei? Niemand habe mich eingeladen. Es sei doch im ganzen Viertel bekannt, dass kein Schwein mehr Brot und Nudeln isst, wenn ich irgendwo aufkreuze. Wo sie denn jetzt hin solle mit all dem Nahrungsmüll, den keiner mehr anrühren werde?
    Ich hätte versuchen können zu erklären, dass ich gar nichts gemacht hätte und auch nicht vorgehabt hätte etwas zu tun – außer zu essen, wie alle anderen auch. Doch das hätte ihr nur neue Munition geliefert: »Du richtest auch Schaden an, wenn du nichts machst oder tust!« Also machte ich mich lieber freiwillig vom Acker.

    Kurz und nicht schmerzlos: Mit den Pfunden schwinden leider auch die Freunde. Das muss man wissen, wenn man sich aufs Abnehmen einlässt. Nicht nur das Partyvolk grenzt die Dünnen aus, die soziale Isolation setzt sich fort. Wer sich mal verschlankt hat, lernt schnell das ganze Dissprogramm kennen: Die Kumpels von früher verstummen, wenn die Dünnies auftauchen.
    Klar, bestimmte Rituale machen schließlich einen homogenen Mindestumfang erforderlich – zum Beispiel beim Thema »Wir jammern gemeinsam über uns und die Welt«. Dabei wird in der Regel weit ausgeholt: In der ersten Hälfte des Lebens geht‘s von der schweren Kindheit über die traumatische Mutterbeziehung bis zum unkontrollierbaren Schweinehund als Rechtfertigung für die Nougat-Nutella-Sucht, die
Sesselklebe-Lust und die chronische Verschieberitis. Später kommt dann das Kompaktthema »Krankheiten-Schmerzen-Ärzte« dazu.
    Darüber lässt sich prima fachsimpeln. Zu »Kranksein« und »Dickfühlen« kann schließlich jeder was sagen – nur die Dünnen und die Gesunden nicht. »Streber!«, »Langweiler!«, »Die gehören nicht mehr zu uns!«, »Früher waren sie ja ganz nett, als sie noch so gemütlich und friedlich waren …« – Jetzt stören sie, auch wenn sie gar nichts tun. Allein ihr Anblick ist für die Dickgebliebenen bereits eine Provokation. In ihrer Gegenwart können sich die Nicht-Dünnen einfach nicht wohlfühlen. Es droht die Verschwörung zum Rauswurf aus der Herde.
    Wenn Sie als Dünner dann nicht von allein das Feld räumen, wird man versuchen, mit ein bisschen Sabotage nachzuhelfen. Am Anfang noch subtil: »Die Sachertorte hat Bine selbst gemacht. Toll, ne? Jeder, der ein echter Freund ist, hilft beim Verspachteln. Gehen auch genau sechs gleich große Stücke raus, eins für jeden von uns.« Die Botschaft ist klar: »Du bist echt Feind, wenn du nicht mitspachtelst.«
    »Unsinn Bine,
Thomas liebt deine Sachertorte, oder?
Hau rein Junge!«
    Tortenvernichtung durch Sechsteilen? – Es geht noch härter: Wenn beispielsweise auch einer aus der Schlauberger-Fraktion dabei ist, der die ganze Runde verblüffen kann. So einer wie Klaus. Aufgrund einer neuen Studie weiß er: »Schlank macht krank.« Zum Beleg dieser abwegigen These müssen die Magersüchtigen herhalten. Bei denen, so Klaus, brechen die Knochen schneller. »Und wenn sie herzkrank werden, ist es wahrscheinlicher, dass sie früher sterben, weil die dünnen Körperchen anfälliger sind für Entzündungen. Außerdem haben hagere Herren weniger Spermien, sind also eher mal unfruchtbar und wohl wegen Minderwertigkeitskomplexen in Anbetracht ihrer eigenen Mickrigkeit auch leichter depressiv. Dünne Damen haben öfter Fehlgeburten, und ihre Lungen leiden mehr, wenn’s hart auf hart kommt.«
    Puh, das klingt nicht schön. Da sind sich alle in der Runde einig. Nur gut, dass es mit der Diät doch nicht geklappt hat und Bine schon wieder eine Torte fertig hat …
    »Aber«, so fragen Sie, »bloß ein bisschen Sport kann doch nicht schaden, oder? Ich meine, wenn man’s nicht so doll treibt, dass die Freunde einen zu dissen anfangen – oder dass der Heißhunger einen zum Kühlschrankplündern treibt. Einfach nur mehr Bewegung

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