Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone
verschwunden. Im Gegenteil: Schlanksein bringt neue
Mit den tollen Zielen ist das so eine Sache: Erst wird ewig davon geträumt – und wenn man dann endlich angekommen ist, hat das Paradies doch einen Haken. Oder gleich mehrere. Mit dem Verschwinden von Schwarten und Schmerbäuchen sind die problembehafteten Zonen tatsächlich futsch, aber die Probleme nicht automatisch mit ihnen. Die können bleiben, sich verändern und vermehren sich schlimmstenfalls. Da haben Sie plötzlich mit Dingen zu kämpfen, mit denen Sie nie gerechnet hätten.
Andreas und Sabine haben nach dem Baby-Flop zusammen fast zwanzig Kilo geschafft. Er fünfzehn, sie 4,78. Nun geht das mit den ungewohnten Problemen gleich morgens am Kleiderschrank los: Die Stangen biegen sich, die Fächer quellen über, die Türen gehen kaum noch zu. Schrank-Besitzerin Sabine steht verzweifelt davor. Schließlich kapituliert sie laut schreiend: »Hilfe, ich habe nichts anzuziehen.« Andreas stellt automatisch die Ohren auf Durchzug. Darauf ist er konditioniert. Das sagt sie schließlich seit Jahren, obwohl er sich nicht erinnern kann, jemals gesehen zu haben, dass sie nackt das Haus verließ.
Er könnte jetzt hingehen und Hilfe anbieten – so, wie er es in den letzten Jahren immer mal wieder versucht hat: Heranpirschen an den Schrank, vorsichtig einen Stofffetzen herausziehen, hinhalten und »Wie wäre es denn hiermit?« fragen. Oder: »Dieses blaue Teil hast du dir doch letzte Woche erst gekauft. Oder das hier – das hattest du noch nie an.«
Vergiss es, Mann! Sabine schnaubt verächtlich: »Die Wurstpelle? Den Sack? Das Zelt? Dieses fette Viereck? Weg damit!«
Der figursensible Andreas begreift: Diesmal ist alles anders. Wenn seine Liebste mit ihrem nunmehr lächerlichen Restgewicht die »Ich habe nichts anzuziehen«-Arie singt, dann ist das ganze Zeug im Schrank wohl tatsächlich eine Nummer zu groß und Sabines Gejammer kein taktisches. Andreas ist schlau genug, nicht solidarisch zu jubeln – weil dies umgehend
einen »Vorher fandest du mich also doch fett!«-Anfall auslösen würde. Andreas macht sich lieber auf den Weg, das Konto zu füllen.
Sabine hat es geschafft. Sie hat abgenommen. Sie erwartet jetzt Beileidsbekundungen und aufrichtige Anteilnahme: »Hey, Schatzi, da passt ja wirklich gar nichts mehr. Viel zu weit, das alte Zeug. Da muss sofort was Neues her.« – Wirklichen Trost spendet in dieser Phase nur eine Shopping-Flatrate bis ans unterste Ende des Überziehungskredits.
Und so ein kleines Einkaufsfest darf Andreas seiner Sabine auch ruhig gönnen, größere Jubelpartys wird’s nämlich erst mal keine geben – entweder weil keiner ihre Einladung annehmen mag oder weil Schlankis ungern gesehene Gäste sind. Und wenn sie sich doch irgendwie reinmogeln, ziehen sie garantiert die Stimmung runter.
Ich zum Beispiel habe mich letzte Woche inkognito in eine Küchenparty gemogelt. Ein Nachbar hatte mich als seinen Nachbarn eingeschleust. Ich war bereits dabei, Speichel zu bilden, weil unverkennbarer Duft in meine Nase kroch: saftige Steaks, Pommes im Fettbad und eimerweise Kartoffelsalat, knülledicht mit Geschmacksverstärkern und Konservierungsstoffen. Herrlich! Ich fühlte mich frei von allen gesellschaftlichen Zwängen, denen sich sonst die anwesenden Frauen unterordnen – und denen ich mich, wenn sie mich erkennen, ebenso unterordnen muss. Männer dürfen sich auf Küchen partys gehen lassen, Frauen und Fitness-Fuzzis nicht.
Wie gesagt, ich dachte, ich wäre inkognito da. Ich richtete mir gerade einen Teller an, als es plötzlich ganz komisch still um mich herum wurde. Zwei Dutzend Augenpaare waren auf mich und meinen Teller gerichtet. Mir wurde heiß. »Jetzt bloß nicht kleckern«, dachte ich. »Messer und Gabel richtig halten. Ketchup sauber abtupfen, bevor jemand eine Handykamera zückt. Pokerface. Nur keine Unsicherheit zeigen.« Ich war enttarnt. Welche Optionen hatte ich? Konnte ich noch kneifen und den Streber raushängen lassen? Alles wegwerfen, »Scherz« brüllen und nach Brokkoli verlangen?
Es kam, was kommen musste. »Guck mal, das ist doch der Heizmann«, hauchte jemand seinem Sitznachbarn zu. »Wie kann der hier zulangen und trotzdem schlank sein?« – Der Sitznachbar mümmelte mit vollem Mund zurück: »Na, wenn der so was isst, dann kann es nicht ungesund sein.« Daraufhin mampften alle Männer munter weiter – nur ich nicht. Denn ich musste jetzt in die Frauensprechstunde.
»Patric, vertrage ich
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