Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben
gar nichts«, erwidert sie zögernd, den Blick auf die Kräuter gerichtet. Es fällt ihr schwer, weiterzusprechen, denn sie hat sich eingeredet, dass sie mit Weitergabe dieser Information mein kostbares Andenken und meinen tadellosen Ruf beschädigt. »Molly hatte einen …«, beginnt Brie endlich und sieht Hicks nun direkt in die Augen, »Geliebten.« Ausgerechnet Brie spricht dieses Wort aus, als hätte ich einen Tripper gehabt. Also wirklich, Brie! Aber ich weiß natürlich, dass sie sich einfach Sorgen macht.
Das soll der Durchbruch sein?
Hicks weiß über Luke ja schon Bescheid und hofft, dass Brie von einem anderen Mann redet. »Wer war es?«
»Das wollte Molly nicht sagen, und ich bin ziemlich sicher, dass sie schon Monate vor ihrem Tod mit ihm Schluss gemacht hat. Das habe ich ihr jedenfalls geraten.«
Und Molly hat meinen Rat meistens befolgt.
»Wenn ich nach ihm gefragt habe, hat sie mich immer mit so einem Lass-das-Blick angesehen. Lucy könnte mehr darüber wissen. Haben Sie sie schon mal befragt?«
»Hab ich«, sagt Hicks.
»Und was weiß sie?«
»Nicht viel«, erwidert er. Lucys Aussage hatte nicht mal eine Seite gefüllt. Während er mit Brie zum Käsehändler geht, tut er genau das, was Brie als Anwältin auch tut – wenig sagen und hoffen, dass das Opfer die Lücken schließt. Diesmal klappt es.
»Also … ich halte es für möglich, dass es der Fotograf war, mit dem Molly zusammengearbeitet hat. Luke Delaney. Mit dem haben Sie sicher auch schon gesprochen«, meint Brie. »Ich bin ein paar Mal mit den beiden zusammen gewesen. Und Sie wissen sicher, wie deutlich man manchmal spürt, dass da was ist zwischen zwei Menschen?«
O ja, das weiß ich,
denkt Hicks.
Ich glaube, ich spüre es jetzt.
»Ich kenne Luke schon jahrelang und dachte, er wär’s«, fährt Brie fort. »Aber als ich Molly gefragt habe, hat sie es rundheraus verneint.« Sogar zweimal.
»Warum haben Sie mir das nicht schon früher gesagt?«
»Ich war nicht sicher. Und bin es auch jetzt nicht. Falls Luke was mit Molly hatte, wüsste ich nicht, warum er es abstreiten sollte. Außerdem ist er ein anständiger Kerl, den ich nicht in Schwierigkeiten bringen möchte.« Sie hat die Worte kaum ausgesprochen, da fällt ihr auf, wie albern das alles klingt, gerade so, als würde sie sich um Luke mehr Gedanken machen als um mich. Doch sie weiß, dass sie alles nur noch schlimmer machen würde, wenn sie jetzt irgendwas zurücknimmt oder korrigiert.
Hicks dreht sich um und sieht Brie eine ganze Minute lang an, was sie äußerst unruhig macht.
Glaubt er, dass ich lüge,
fragt sie sich. Doch das ist es nicht, was Hicks durch den Kopf geht. Sie ist erleichtert, als er sich endlich dem Mann hinter dem Verkaufstresen zuwendet.
»Was haben Sie heute Schönes für mich, Charlie?«, fragt Hicks, der sich oft sagt, dass er aufs Land ziehen wird, wenn er in seinem Job keinen Erfolg hat. Dann wird er sich eine Herde Ziegen kaufen und lernen, Käse zu machen. Er hat sogar schon zwei Bücher zu dem Thema bei Amazon bestellt. Alle paar Wochen surft er auf Immobilien-Webseiten herum und sieht sich bereits als Besitzer von zwanzig Hektar Land, mit grünem Traktor, Mähmaschine, Dungstreuer und Komposthaufen. Sogar unterbezahlte New Yorker Polizisten dürfen schließlich träumen.
»Probieren Sie mal diesen Ricotta«, sagt der Händler und reichtBrie und Hicks kleine Holzlöffel mit einer cremigen, weiß schimmernden Masse. »Himmlisch, was?«
Das ist übrigens auch so etwas, das mir wirklich fehlt: scharfer, intensiver Geschmack, alles Salzige, Knusprige, Würzige. Am liebsten möchte ich das gesamte Vokabular eines typischen Tourettekranken herunterbeten, wenn ich daran denke, wie ich das Essen vermisse! Rohes, Selbstgekochtes, Raffiniertes und weniger Raffiniertes. Vor allem italienisches Essen und indisches, französisches, thailändisches, vietnamesisches, peruanisches Essen, alles außer der Hausmannskost des Mittleren Westens. Mir fehlen die Pommes von McDonald’s, Pastrami auf Roggenbrot, Dim Sum, dunkle Schokolade mit ganzen Mandeln, die Hamburger der Gramercy Tavern, meine selbstgekochten Spaghetti Bolognese, die Süßkartoffeln mit klebrigen Marshmallows, die meine Mutter an Thanksgiving macht, Hamantaschen, Butterscotch-Eisbecher und Kittys Käsekuchen. Und ich denke auch oft an den Karamellkuchen mit geraspelter Schokolade, den ich an jenem Abend noch kaufen wollte.
Verzichte nicht aufs Dessert, das Leben ist kurz.
Das hätte ich zu
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