Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben
angeschnitten, und daher werde ich nichts beschönigen«, sagte sie endlich. »Ich glaube dir, dass du … ihn … gern hast, und ich weiß, dass bei dir zu Hause nicht alles optimal läuft, aber hör zu. Eine Affäre ist nie eine Lösung. Und das sage ich, da ich schon auf der anderen Seite gestanden habe, einige Male.«
Ich holte ein Taschentuch aus meiner Jackentasche und wischte mir über die Augen.
»Mach Schluss – du hattest deinen Spaß.« Bries Ton war sanft, aber dennoch unnachgiebig. »Du trittst dir später selbst in den Hintern, wenn du es nicht tust.«
Ich hatte von Brie die verschwörerische Reaktion einer alten Freundin erwartet, vielleicht sogar ein zustimmendes Zwinkern, aber nicht das. Es war, als würde sie zwei und zwei zusammenzählen und darauf bestehen, dass das Resultat fünf war. Begriff sie nicht, dass es für mich wie ein Wechsel von Farbe zu Schwarz-Weiß wäre, wenn ich jetzt mit Luke Schluss machen würde?
»Beende es«, wiederholte Brie und griff nach meiner Hand.
Blinzelnd sah ich aus dem Fenster.
»Du hast schon Schwierigeres geschafft«, sagte sie.
Ich hatte keine Ahnung, was sie damit meinte. Nichts in meinem Leben war mir je so schwer erschienen wie die Vorstellung, dass ich nie wieder mit Luke zusammensein würde.
»Wir suchen uns nicht aus, in wen wir uns verlieben«, fuhr Brie fort. »Wenn dieser andere Mann derjenige ist, mit dem du zusammensein willst, freut es mich für dich. Dann gib morgen dein altes Leben auf und zieh bei ihm ein. Ich werde dich unterstützen. Aber wenn du dazu nicht bereit bist, kann deine Ehe nicht besser werden, wenn er all deine Gedanken besetzt.«
Kein Wunder, dass Brie Juristin wurde. Sie ist schon fast schmerzhaft logisch.
Damit war das Gespräch beendet. Wir machten uns auf den Rückweg durch das Labyrinth der Ausstellungsräume, die große Treppe hinunter und zur Garderobe. Sonst blieben wir immer noch bewundernd vor den fast drei Meter hohen Vasen stehen, die stets mit Blumen der Jahreszeit im Wert von 2000 Dollar gefüllt waren. Doch heute nicht.
Ich gab Brie zum Abschied einen Kuss, winkte ein Taxi heran und absolvierte wie eine Schlafwandlerin Annabels Abendbrot, Bad und Gutenachtgeschichte. Während Barry sich lachend YouTube-Videos ansah, deckte ich den Tisch für die Gäste, die morgen zum Brunch anlässlich der Parade zum Thanksgiving Day kommen würden, und schmückte alles mit Zweigen und Eicheln, jedoch ohne meinen üblichen Anspruch – es schrie geradezu alles »Martha Stewart«. Ich dankte meinem Schöpfer dafür, dass das Essen morgen angeliefert wurde, und versuchte mich während all dieser Tätigkeiten dazu zu überreden, mit Luke Schluss zu machen. Er würde heute Abend nach Hause zurückkommen, und wir hatten uns für Montag verabredet. Ich musste es nur noch tun.
Aber ich brauchte Bestärkung und bedauerte nicht zum ersten Mal, dass ich keine Alkoholikerin, Tablettensüchtige oder Anhängerin eines New-Age-Glaubens war. Als ich Barry duschen hörte, beschloss ich, eine zweite Meinung einzuholen, und griff nach dem Telefon.
»Na, hast du endlich frei?«, fragte ich.
»Musst du einer Lehrerin diese Frage wirklich stellen? Die Truthähne bevölkern schon meine Träume. Willst du wissen, was sie sagen?«
»Behalt’s für dich – ich habe nur zwei Minuten und brauche einen Rat.« Im Bad hörte ich Wasser rauschen und Barry ›A Hard Day’s Night‹ singen, trotzdem flüsterte ich. »Weißt du noch, dieser andere Typ, von dem ich dir erzählt habe?«
»Der, von dem ich gesagt habe, du sollst Schluss mit ihm machen?«
»Habe ich nicht.« Ich erzählte Lucy, dass ich vor Schuldgefühlen fast explodierte – und es kaum noch aushielt.
»Du willst, dass Lucy ihre Psycho-Ecke aufmacht?«, fragte meine Schwester. »Was für eine Ehre.«
Barry kam ins Schlafzimmer, ein Handtuch um die schmalen Hüften geschlungen. »Mit wem sprichst du da?«, fragte er lautlos.
»Lucy.«
»Hallo, Dussely«, rief er, zog sich frische Boxershorts an und ging wieder hinaus.
»Weißt du eigentlich, wie sehr mir dein Ehemann auf die Nerven geht?«, fragte Lucy.
»Wir haben nicht mehr viel Zeit. Was würdest du tun? Schnell.«
»Ich würde Schluss machen«, sagte sie. »Das ist es nicht wert – finde ich jedenfalls.«
An Thanksgiving ging Isadora um zwei, und Brie half mir aufzuräumen, nachdem auch die restlichen zweiundvierzig Gäste gegangen waren, davon die Hälfte Kinder, die sich auf meine Fensterbänke gehockt
Weitere Kostenlose Bücher