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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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Verstehst du mich? Aus, vorbei, finito. Das bedeutet, solange du den Gedanken eines bestimmten Menschen folgst, musst du die der anderen ausblenden. Das, liebe Molly, sind die Regeln des Spiels. Kennst du den Begriff Kakophonie?«, fragt Bob.
    Ich nicke.
    »Konzentriere dich beim Lauschen immer nur auf eine einzelne Stimme, sonst fühlst du dich permanent wie auf einem Konzert der Rolling Stones in einer U-Bahn -Station während der Rushhour.«
    Jetzt sieht er aus wie eine Ken-Puppe, die gerade ihren Job verloren hat.
    »Bob, glaub mir, ich nehme das todernst«, sage ich.
    Er lacht in sich hinein. »Die Zusammenarbeit mit dir wird mir gefallen. Nun zu der Fähigkeit, die du so schön als ›Bullshit-De tektor ‹ bezeichnest.«
    Werde ich etwa rot?
    Bob winkt ab. »Ein Vergleich so gut wie jeder andere. Ich verrate dir ein kleines Geheimnis. Diese Fähigkeit hattest du schon immer, du hast dir nur nie die Mühe gemacht, sie zu benutzen. Das tun nur die wenigsten Leute, die diese Gabe besitzen.«
    Ich versuche, seinen Worten zu folgen, bin aber abgelenkt von Bobs großem Ernst. Ich stelle ihn mir vor in einem kurzärmligen karierten Hemd, beim Einkaufen bei Sears oder auf dem Weg zum Friseur, wo er sich alle zwei Wochen die Haare nachschneiden lässt; ein Mann, der seine Zähne immer mit Zahnseide reinigt und nie den Geburtstag seiner Großmutter vergisst. Ob er mal auf der Landwirtschaftsmesse in Iowa ein Kalb vorgeführt hat?
    »Kein Kalb«, sagt er. »Eine erstklassige Muttersau, genauso prächtig wie Miss Piggy. Und auch nicht in Iowa, sondern in Nordkalifornien.« Er lächelt. »Und, nein, auf Schmalzgebäck war ich nicht so wild, aber, ja, ich war Pfadfinder und habe Football gespielt und Waldhorn. Nach dem Medizinstudium hatte ich eine Stelle als Assistenzarzt auf einer Kinderstation, und ich war verlobt. Ich hatte ein richtig schönes Leben bis zu dem Unfall. Ein betrunkener Autofahrer mit einem Bierbauch voll Budweiser. Rums. Und dann Fahrerflucht.«
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
    »Es gibt nichts zu sagen«, entgegnet Bob und sieht mich so warmherzig an, dass mir seine Augen wie kleine Sonnen erscheinen. »Obwohl du mich natürlich alles fragen kannst, was immer du willst, jetzt oder auch später. Alles, hörst du? Hier in der Ewigkeit bin ich dein Sherpa, nicht vergessen.«
    Aber es ist alles zu viel. Ich fühle mich wie bei einem Vorstellungsgespräch, bei dem ich zwei Stunden durch die Mangel gedreht worden bin und bei dem mir nun einfach keine intelligente Gegenfrage einfällt. »Diese Fähigkeiten, Bob«, sage ich schließlich. »Wie lange werden die anhalten?«
    Es ist nirgends eine Harfe zu sehen, doch von irgendwoher höre ich Elvis
»I can’t help falling in love with you«
singen. Ich habe einen Himbeergeschmack auf den Lippen. In der Ferne schimmert eine ganze Milchstraße taufeuchter weißer Rosen im Morgenlicht, und ihr Duft weht schwach bis zu uns herüber. Es ist ein noch betörenderer Duft als »Eternity«.
    »Molly, das kann ich dir nicht sagen, weil ich es nicht weiß. Keiner von uns weiß es. Doch du hast Glück – die meisten Leute haben diese Fähigkeit schon eingebüßt, ehe sie hier ankommen. Einige wenige haben sie natürlich für immer.« Bob berührt sachte meinen Arm. »Ich glaube«, sagt er, »doch das ist meine rein persönliche Meinung, dass unsere Fähigkeiten nur so lange andauern, wie es nötig ist. Ich bin zwar kein religiöser Mensch, aber auch kein Zyniker.«
    Ich blinzele.
    Bob ist verschwunden. Ganz in der Nähe landet ein rundliches Rotkehlchen auf einem Ast. Ich könnte schwören, dass es mir zuzwinkert.

7
Eine Fußnote in der Geschichte der Braut
    Barry und ich haben im Garten meiner Eltern geheiratet, unter einem Baldachin von Weidenästen, in denen – der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs möge mir verzeihen – eine Weihnachtslichterkette mit winzigen weißen Lämpchen funkelte. Regen nieselte auf uns herab während der sieben Segenssprüche, so dass ich bei den Worten »der du den Bräutigam sich mit der Braut freuen lässt« nur einen kurzen Gedanken an Barry verschwendete, weil meine größte Sorge war, dass meine Haare sich kräuseln könnten.
    Ein paar Monate vor der Hochzeit hatte ich in dem Restaurant in Greenwich Village, in dem Barry und ich an meinem Geburtstag zu Mittag aßen, einen Burberry-Karton auf meinem Stuhl gefunden. Darin lag an einen Regenschirm geheftet ein Gedicht, von Barry selbst geschrieben, in dem er mir versicherte, dass er

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