Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben
überwältigt von Gefühlen der Unsicherheit, bekam ich plötzlich klaustrophobische Beklemmungen, trotz der turmhohen Decke der Hotelbar. Ich war froh, als Barry nach der Rechnung verlangte und wir ins Restaurant gingen. Am Eingang des Tao starrte ein fünfzehn Meter hoher Buddha auf uns herab. Ich flehte ihn an, mir zu sagen, was ich tun sollte, doch der Buddha schien bloß zu erwidern: »Bestell die Peking-Ente für zwei.« Das taten wir, und mit dem Essen nahmen wir auch unsere normalen Tischgespräche wieder auf: Barrys Geschichten aus dem Operationssaal, die uns bis zu einer Kalorienbombe namens Zen-Parfait reichten. Auf den riesigen Glückskeks verzichtete ich. Was das Schicksal für mich bereithielt, würde ich noch früh genug erfahren.
»Wie wär’s noch mit einem Chai Kiss?«, fragte Barry, als er nach dem Essen die Getränkekarte studierte.
»Wie wär’s, wenn wir nach Hause fahren?«, fragte ich. Im Taxi schloss ich die Augen und lehnte mich an Barrys muskulösen Körper. Vielleicht könnte ich meinen Ehemann mit einer vergnüglichen Sexeinlage dazu bringen, das Babymachen noch um ein paar Jahre – am besten gleich ein Jahrzehnt – aufzuschieben. Bis dahin könnte ich endlich erwachsen werden und mir überlegen, was ich eigentlich wollte.
Immer noch benommen von all dem, was ich getrunken hatte, schlüpfte ich in unserer Wohnung in ein neues blaues Seidennegligé. Barry zog mich fest an sich. Er war aktionsbereit. »AllesGute zum Hochzeitstag, Schatz«, flüsterte er mir heiß ins Ohr. »Molly Divine Marx, du wirst eine wunderbare Mutter sein.«
Schläfrig und skeptisch sah ich ihn an.
»Ich weiß nicht sehr viel«, sagte er, »aber das weiß ich.«
Irgendetwas daran, wie er diese Worte aussprach, wirkte enorm zärtlich und glaubwürdig. Ich wollte ihm so gern glauben, seinen Erwartungen entsprechen, mich sicher fühlen bei diesem Schritt, der für die meisten Frauen nicht einmal eine bewusste Entscheidung war. »Wirklich?«, sagte ich, und es war ebenso sehr ein Gebet wie eine Frage. In diesem Augenblick hatte ich das Gefühl, dass meine Heirat mit Barry Marx das Klügste und Beste gewesen war, was ich je im Leben getan hatte.
Als er die Kerze ausblies, die auf meinem Nachttisch stand, und der Geruch von Maiglöckchen unser kleines Schlafzimmer erfüllte, sagte er: »Lass uns ein Baby machen, Baby.«
Zwei Monate später taten wir es.
15
Harte Arbeit
Detective Hicks streckt die langen Beine aus und sieht sich im Zimmer um. Wie er dort so in dem schwarzen Eames-Ledersessel sitzt, könnte er glatt als ein weiteres der edlen minimalistischen Kunstobjekte in Bries und Isadoras Loft durchgehen. »Miss Lawson, war das Gedicht, das Sie auf Mrs. Marx’ Beerdigung vorgelesen haben, eigentlich von Elizabeth Barrett Browning?«, fragt er, als würde er sich tatsächlich etwas aus viktorianischer Lyrik machen.
»Von Emily Dickinson«, sagt Brie, die ihr Jessica-Rabbit-geht-ins-Gericht-Kostüm trägt, das sie extra angeschafft hat, damit den Verteidigern der Gegenseite die Luft wegbleibt. Die oberen Knöpfedes enganliegenden Jacketts werden stets strategisch offengelassen, damit sich ein Ansatz von Dekolleté zeigt. Der Bleistiftrock schmiegt sich an Bries Hintern und endet knapp unterhalb der Knie. Das Haar trägt sie in einem strengen Knoten. Isadora sitzt neben ihr auf dem Sofa, an ihrer Nasenwurzel zwischen den haselnussbraunen Augen zeigt sich eine Falte, die ich vorher noch nie bemerkt habe.
»Wusste ich’s doch, dass es eine dieser depressiven Frauen war«, erwidert der Detective und nimmt sich eins von den Schokoladen-Biscotti, die Isadora auf einem quadratischen weißen Porzellanteller auf den Tisch gestellt hat. »Nun, wie ich auf Mrs. Marx’ Beerdigung gesehen habe, waren Sie beide recht eng befreundet«, sagt er. »Können Sie mir ein wenig erzählen über diese … Beziehung?« Ein Krümel fällt herunter und verschwindet in dem dicken schwarzen Teppich. Isadoras Falte vertieft sich, als sie das Biscotti-Stückchen verschwinden sieht.
Brie blickt Hicks direkt an. »Molly und ich wurden im ersten Semester zufällig als Zimmergenossinnen eingeteilt«, erzählt sie. »Es war einer dieser seltenen Glücksfälle. Wir verstanden uns auf Anhieb und waren seitdem unzertrennlich. Im Jahr darauf haben wir uns gemeinsam eine Wohnung gesucht, und in der haben wir bis zu unserem Abschluss gewohnt.«
»Könnten Sie das bitte etwas näher ausführen?« Hicks’ Blick wirkt amüsiert, was
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