Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben
ich es. »Dunhill Desire«. Begehren.
»Willst du?«, flüsterte Luke.
Ja, ich wollte.
»Ich will es jedenfalls«, fuhr er fort. Die Drei-Mann-Band hatte einen schnelleren Beat angeschlagen, doch wir beide bewegten uns immer noch in Zeitlupe. Ich wollte nicht, dass an diesem Abend irgendetwas schnell ging.
Er verschränkte seine Finger mit meinen und rieb sie sanft. Eine zärtliche und zugleich erotische Geste. »Ich warte auf eine Antwort«, flüsterte er.
»Ich bin zu müde.«
Meine zweite Lüge.
»Dann komm einfach mit in mein Zimmer und schlaf.«
»Schlafen?«
»Ich würde gern wissen, wie das ist.« Keine Ahnung, ob Luke diese Worte wirklich gesagt hat oder ob ich sie bloß gedacht habe, ob er meine Gedanken las oder ich die seinen.
Eine vielbeschworene Weisheit lautet, dass Untreue so etwas wie die Bestrafung von Ehemann oder Ehefrau sei. Ich bin, mit Verlaub, anderer Meinung, und zwar seit dieser Nacht. Es ist zu spät, um dieses Thema noch mit unserer Eheberaterin Dr. Stafford auszudiskutieren. Wirklich schade, denn unsere Krankenversicherung hat Barry und mir erst letzten Monat zehn weitere Sitzungen genehmigt. In unserer mehrere Monate dauernden Therapiehabe ich immer gesagt, dass ich mich nicht mit einem anderen Mann eingelassen habe, um mich an Barry zu rächen. Okay, inzwischen bin ich sowieso tot, aber ich bleibe bei meiner Geschichte. Luke war nie, niemals der Gegen-Barry. Er war immer nur Luke, mit einer ganz eigenen Anziehungskraft. Ich kann nicht erklären, wieso ich mich von Luke Delaney so angezogen fühlte. Warum mag jemand die Farbe Orange oder eine Mozartsonate? Es war eben einfach so.
Menschen, die eine Affäre in Betracht ziehen, malen sich aus, dass sie auf ihrer eigenen kleinen Insel leben würden und so tun könnten, als wären sie eingekapselt in eine romantische Schneekugel, vor aller Realität geschützt. Und Luke und ich befanden uns wirklich auf einer Insel, 1500 Meilen von zu Hause entfernt und genauso weit weg von gesundem Menschenverstand und, an diesem Abend, Nüchternheit.
Hatte Barry Gegen-Mollys gehabt? Ich schätze, dass er sich während unserer Verlobungszeit und Ehe mindestens ein halbes Dutzend Mal zum Sex mit Frauen genötigt sah, die eine Nicht-Molly waren. Ich habe nie versucht, das vor Gericht zu beweisen – nur einmal bin ich seine Quittungen durchgegangen, ach ja, und ein andermal habe ich seine Brieftasche ausgeleert. Doch auf irgendeiner Ebene habe ich immer gewusst, dass er mir nicht treu war – und die Augen davor verschlossen. Aber in dieser Nacht fühlte ich mich nicht als untreue Ehefrau. Von dem Moment an, als Luke mich bei der Hand nahm und mit mir auf sein Zimmer ging, habe ich nur noch an Luke gedacht. Okay, an Kondome und an Luke. Leichtsinnig bin ich nicht.
Vor seiner Tür fummelte er mit dem Schlüssel herum. Das Zimmermädchen hatte die Tagesdecke zurückgeschlagen, den Deckenventilator aus Rattan so eingestellt, dass er ein laues Lüftchen produzierte, und auf jedes Kopfkissen ein Stückchen Schokolade gelegt. Er wickelte eine Schokolade aus und steckte sie mir in den Mund. Ich tat das Gleiche für ihn. Inzwischen war es kühler geworden – es war bereits nach Mitternacht –, und er zündete eineKerze an. Die Flamme warf tanzende Schatten an die Wände, die einer Vorschau für einen romantischen französischen Film alle Ehre gemacht hätten.
Ich kickte meine Sandaletten von den Füßen, während Luke sich Hemd und Hose auszog. Er hatte einen langen Rumpf und, obwohl er schlank war, kleine Fettpölsterchen, was ihn nur realer machte und damit noch anziehender. Ich schloss die Augen, und das schwarze Haar auf seiner Brust ließ mich wieder an das Bermudadreieck denken. War ich dabei, verloren zu gehen oder gefunden zu werden?
14
Vielleicht, Baby
»Molly, ich habe nachgedacht«, sagte Barry. Wir hatten beschlossen, einen Cocktail im Four Seasons zu trinken und dann zum Abendessen ins Tao zu gehen. »Aber zuerst …« Er gab dem Kellner ein Zeichen. »Zwei Martinis, bitte«, sagte er. »Mit Grey-Goose-Wodka.«
Als Frau, deren Vorstellung vom Trinken darin bestand, Weinhandlungen nach dem Pinot Grigio mit dem witzigsten Etikett unter 15 Dollar abzusuchen, war ich erleichtert, dass mir in absehbarer Zeit eine Portion Mut in einem Stielglas serviert werden würde. Wollte Barry mir ausgerechnet heute Abend sagen, dass es zwischen uns beiden nicht richtig lief? Immerhin war es unser erster Hochzeitstag.
Auf einer Skala von
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