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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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eins bis zehn gab ich unserer Ehe eine Fünf. Den exakten Mittelwert, absoluter Normal-Verbraucher-Durchschnitt. Erst vor kurzem hatte ich auf einer Tarot-Webseite gelesen, dass nur acht Prozent der verheirateten Paare den Partner als wahren Seelenverwandten betrachteten. Ich bin kein Mathe-Genie,wie ich mit meiner Aufnahmeprüfung fürs College hinlänglich bewiesen habe; aber wenn man die heutigen Scheidungsraten berücksichtigte, hieß das, dass nur höchst selten eine Braut einen Bräutigam fand, der sie instinktiv an der richtigen Stelle packte und der Star ihrer nichtjugendfreien Phantasien war.
    Barry und ich waren anscheinend genauso wie alle anderen Ehepaare, die wir kannten. In den drei vorgeschriebenen Beratungsgesprächen vor der Ehe bezeichnete der Rabbi Sex und Geld als die beiden Grundübel, an denen die meisten Beziehungen scheiterten. Soweit ich sehen konnte, hatten wir weder mit dem einen noch mit dem anderen ein Problem. Und da wir uns in der Öffentlichkeit auch nicht zu übertrieben intimen Bekundungen hinreißen ließen, ging ich davon aus, dass unsere Ehe auf jeden Fall ein längeres Haltbarkeitsdatum besaß als die eines befreundeten Paares, das jedes Mal, wenn es uns zum Abendessen einlud, fast auf dem Tisch kopulierte. In ihrem auf Hochglanz polierten Apartment mit dem schimmernden Bambusboden beschlich mich stets das Gefühl, dass wir eingeladen worden waren, um ihr gegenseitiges Verlangen ebenso zu bewundern wie ihre sensationelle Panoramaaussicht aus dem dreiunddreißigsten Stock auf New York City.
    Bei diesem Bild einer völlig durchschnittlichen Ehefrau kann man natürlich fragen, ob ich über das, was sechs Wochen zuvor mit Luke geschehen war, einfach großzügig hinwegsah. Nein, eigentlich nicht. Allerdings hatte ich meine Erinnerung an die
affaire de Luc
nach dieser Geschäftsreise ziemlich schnell unter die romantischen, aber lebensfernen Liebesromane für die moderne Frau einsortiert. Unsere Auszeit im Paradies, sagte ich mir, war bedeutungslos und außerdem vorüber. Ich erzählte niemandem davon, nicht mal Brie.
    Vielleicht war ich weiser, als es meinem Alter entsprach, und hatte bereits begriffen, dass jede Beziehung im Grunde wie ein Mischlingswelpe aus dem Tierheim war: Man weiß nie, als was er sich entpuppen wird, solange er nicht ausgewachsen ist. HeuteAbend, hier in dieser eleganten Hotel-Lounge, sah Barry aus, als hätte er jede Menge von einem edlen Labrador in sich, vielleicht mit einem Anteil Tibet-Terrier und Riesenschnauzer. Nirgends ein Anzeichen von Pitbull jedenfalls. Er war ganz in Schwarz gekleidet – vom gut geschnittenen Jackett über das feine Baumwollhemd und den Gürtel aus Eidechsenleder bis hin zu seiner Jeans – und glich damit zum Glück eher einem europäischen Kunstsammler als Johnny Cash. Seine Nase bewahrte ihn davor, zum Schönling zu werden, doch mit dem gewellten schwarzen Haar und den dunkelbraunen Augen, deren Wimpern so lang waren, dass sie gerechterweise eigentlich mir hätten gehören sollen, war der Gesamteindruck von Dr.   Barry Marx höchst einnehmend. Und seine manchmal draufgängerische Art rundete das Bild noch ab.
    »Auf uns«, sagte er und hob sein Glas.
    »Auf uns«, echote ich, als wir anstießen. »Auf dich und mich.«
    »Ich möchte dir das hier schenken«, sagte er und gab mir eine Bergdorf-Tragetasche, immer ein vielversprechendes Behältnis, vor allem wenn es klein ist. Vorsichtig öffnete ich die Schachtel, in deren schwarzem Samtinneren sich ein breiter silberner Armreif fand, besetzt mit weißlich leuchtenden Quarzsteinen so groß wie Pistazien. Hätte ich für die Rolle der Geliebten eines verheirateten Mannes vorsprechen wollen, wäre dieses Schmuckstück genau das richtige Accessoire gewesen. Mein erster Gedanke war, dass bestimmt Kitty es ausgesucht hatte.
    »Wow«, war alles, was ich herausbrachte. »Das habe ich wirklich nicht erwartet.« Ich hatte natürlich auf ein Geschenk gehofft und mein Bestes getan, um ganz beiläufig auf einen sechzig Zentimeter hohen, muschelverzierten Obelisken hinzuweisen, den ich in einem verstaubten Antiquitätenladen im Village entdeckt hatte. Doch möglicherweise sah Barry in dem, was meiner Ansicht nach unserem Couchtisch ein wenig extravaganten Stil verliehen hätte, nichts als ein herausfordernd phallisches Objekt. Ich bewunderte den Armreif, versuchte, angemessen begeistert zu strahlen, und warf mir selbst Undankbarkeit vor. Wahrscheinlich würden Barrydie blau emaillierten

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