Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben
Manschettenknöpfe auch nicht gefallen, die ich für ihn gekauft hatte. Wenn ich so darüber nachdachte, war ich mir nicht mal mehr sicher, ob er überhaupt Hemden mit französischen Umschlagmanschetten mochte.
»Du verdienst es, Baby«, sagte er und streifte mir das Geschenk übers Handgelenk. Begutachtete er da in dem schimmernden Glanz etwa sein Spiegelbild? »Und da wir schon bei Babys sind«, fügte er hinzu. »Es wird langsam Zeit, Molly.«
In einem Drehbuch hätte für Barrys Gesichtsausdruck an dieser Stelle wohl »langer, bedeutsamer Blick« als Regieanweisung gestanden. Und für meinen »schiere Panik«.
Manche Paare kauen die Kinderfrage endlos durch, noch ehe sie sich überhaupt verloben. Das müssen dieselben Leute sein, die ihre Schuhe in durchsichtigen Schuhschachteln aufbewahren, ihre mit Anmerkungen versehenen Steuerunterlagen pünktlich am 31. Januar einem Steuerberater vorlegen und es schaffen, rechtzeitig ein Hochzeitsalbum zu bestellen. Es gibt Männer und Frauen, die ganz genau wissen, wie sie zur Elternschaft stehen, selbst wenn sie bloß mit ihrem Seelenklempner darüber gesprochen haben, und es gibt solche, die für sich noch keine Antwort gefunden haben, aber jederzeit zu einem angeregten Gespräch über das Thema bereit sind. Barry und ich gehörten zu keiner dieser Kategorien.
»Ich weiß nicht, ob ich mich schon erwachsen genug fühle, um Mutter zu werden«, räumte ich ein.
»Ach, komm. Du wirst eine großartige Mutter sein«, sagte Barry in scherzhaftem Tonfall.
In unserer Familie war es Lucy, für die Kinder eine Lebensaufgabe waren – als sie selbst noch klein war, hatte sie die Jüngeren in der Nachbarschaft herumkommandiert, später jeden Sommer im Ferienlager als Gruppenleiterin gearbeitet, und jetzt war sie Lehrerin an einer Grundschule. Sie liebte jedes Kind, und die Kinder erwiderten diese Liebe.
»Wann immer mich jemand zum Babysitten anheuern wollte,habe ich ein dringendes Referat vorgeschoben«, sagte ich. »Ich bin nicht der mütterliche Typ.«
Barry stieß ein so lautes
» Ha! «
aus, dass die Leute am Nebentisch sich umdrehten, um nachzusehen, ob vielleicht jemand ein lebensrettendes Heimlich-Manöver benötigte. »Hör mal, Molly. Es ist doch ein offenes Geheimnis, dass die meisten Eltern nur ihr eigen Fleisch und Blut lieben und die Kinder anderer Leute für heulende kleine Hosenscheißer halten.«
»Eine scharfsinnige Beobachtung, Barry«, sagte ich, ziemlich sicher, dass er damit recht hatte. Doch was, wenn ich mein eigenes Kind nicht leiden konnte? Was, wenn mein Kind mich nicht leiden konnte?
Letztes Jahr hatte ich ehrenamtlich Unterricht im Lesen erteilt, und mein Schützling aus der ersten Klasse wollte unbedingt ein Buch über Spinnen lesen. Mir klingt seine gruselige Falsettstimme immer noch in den Ohren: »Mein Netz fängt ein Insekt. Ich töte es mit einem einzigen Biss. Ich zermalme den Körper des Insekts mit meinem stählernen Kiefer, bis daraus ein weicher Brei wird. Das Abendessen ist fertig.« Ein unschuldiges Käferchen im Netz einer Tarantel. Genauso fühlte ich mich jetzt.
»Ich weiß doch gar nicht, was man als Mutter tut.« Was, wenn ich das Gebrabbel meines Babys nicht verstand oder trotz seines ohrenbetäubenden Geschreis nachts einfach durchschlief? Was, wenn mir übel wurde, sobald es sich übergab? Und vor allem wollte ich über die Auswirkungen auf meinen Bauch, der schon jetzt nicht eben flach war, gar nicht erst nachdenken, und auch darüber nicht, wie ich einen sechs Pfund schweren Säugling aus meinen unteren Regionen hinausbefördern sollte. »Bringen Sie mir doch bitte noch einen Martini«, bat ich den Kellner.
»Molly, mach dich nicht lächerlich – glaubst du, meine Mutter wusste, was eine richtige Mutter tut?« Die Antwort auf diese Frage hätte Barrys Argumentation ganz und gar nicht gestützt. Er wechselte flink die Taktik. »Du wirst wie deine eigene Mutter sein«, sagte er.
»Ich könnte nie so eine gute Mutter wie meine eigene sein«, erwiderte ich. Wer hätte das gekonnt? Claire Divine ist warmherzig und geduldig. Ich dagegen bin die Ungeduld in Person, und auch wenn ich sehr nett sein konnte zu denen, die es verdienten, hielt Barry mir immer wieder vor, dass die Leute mich oft kühl und distanziert fanden. Auf meine Entgegnung, dass diese Hypersensibelchen wohl unfähig seien, bei einer erwachsenen Frau Schüchternheit zu erkennen, erntete ich meist bloß einen skeptischen Blick.
Nach meinem zweiten Drink und
Weitere Kostenlose Bücher