hatte. Sie hat mich nicht verachtet, aber wenn sie sich an mich erinnert, ist immer eine gewisse Herablassung dabei. »Ich fürchte, das ist der falsche Ansatz, meine liebe Brie«, fügt sie noch gelassen hinzu.
Tia Sabrina es loca.
»Dann gehen wir eben allein«, sagt Brie achselzuckend. Und mit diesen Worten legt sie zwei Schichten schwarze Mascara auf, richtet sich kerzengerade auf und stolziert aus dem Badezimmer. Gebieterisch wie Kleopatra.
Wenn Brie und Isadora streiten, endet es nicht damit, dassTeller durch die Wohnung fliegen. Die beiden sind schließlich vornehme Alphatiere – ein irischer Wolfshund und ein King-Charles-Spaniel. Nie ist Blut geflossen, wenn sie ihre Kämpfe ausgefochten haben. Feindseligkeiten drücken sie mit Posen aus und gelegentlich durch ein warnendes Aufbellen.
Seit meinem Tod unternimmt Brie schon zum dritten Mal etwas mit Annabel. Möglich, dass meine Tochter mütterliche Gefühle in meiner besten Freundin ausgelöst hat, die sich bisher nicht mal regelmäßig um ihre Schnittlauchtöpfchen gekümmert hat. Vielleicht gibt diese gemeinsam verbrachte Zeit, so schön sie für beide ist, Brie aber vor allem das Gefühl, mir nahe zu sein. Oder es geht ihr – nicht ganz so selbstlos, immerhin ist sie eine der am stärksten auf Konkurrenz bedachten Frauen, die ich kenne (was ich hier mit allem Respekt festhalte) – darum, Lucy eine Nasenlänge voraus zu sein, und jetzt Stephanie. Nicht, dass Stephanie bisher allzu viel Interesse für Annabel gezeigt hätte.
Ich würde es in Bries Gedanken lesen, wenn sie selbst es denn wüsste. Aber trotz allem gegenteiligen Anschein geht es in ihrem Kopf verworrener zu, als man vermuten würde. Dass Brie etwas chaotisch ist, dafür liebe ich sie umso mehr.
Brie fährt ins Büro und sitzt kaum am Schreibtisch, da loggt sie sich schon in ihren Computer ein und öffnet einen neuangelegten Ordner.
Annabel.
Sie durchforstet einen schmutzigen Sorgerechtsstreit nach dem anderen, in denen Vätern – die überraschend häufig einen Vokuhila-Haarschnitt und orange Gefängniskleidung tragen – der Umgang mit ihren Töchtern untersagt wurde. Einige Dads waren jahrelang im Rückstand mit den Zahlungen des Kindesunterhalts. Andere befanden sich zum Beispiel gerade in der Phase einer Geschlechtsumwandlung: Dick? Das war einmal. Darf ich mich vorstellen: Dixie!
Brie beißt sich auf die Unterlippe. Sie findet keinen Präzedenzfall, in dem ein Witwer sein Kind nicht an seine Familie, sondern an die beste Freundin seiner Ehefrau abtreten musste. Weil sie überhaupt nicht vorankommt und keine Zeit hat, diese Sucheewig fortzusetzen, checkt sie ihre E-Mails . Ein Hagel neu eingetroffener Nachrichten geht auf sie nieder, die meisten mit einer Betreffzeile in kryptischem Juristenkauderwelsch. Die erste Mail, die Brie öffnet, hat den Absender
[email protected].
Irgendwas Neues von Ihrer Seite? Heute spreche ich mit der Schwiegermutter.
Wenn ich nur etwas für Sie hätte, Detective Hicks,
denkt Brie.
Könnte ich die Umstände von Mollys Tod nur selbst klären, aber ich kriege überhaupt nichts heraus. Ich setze auf Sie. Warum ist der Fall noch immer nicht gelöst? Warum dauert das so verdammt lange? Haben etwa alle schon vergessen, dass eine Frau gestorben ist? Eine schöne junge Frau. Meine beste Freundin. Aber ich muss einen klaren Kopf behalten.
Vorsicht vor Kitty Katz – sie faucht und kratzt,
schreibt Brie zurück und wartet auf eine Antwort von Hicks. Doch es kommt keine. Worüber sie nicht unglücklich ist.
Dann arbeitet er hart,
denkt sie,
und macht keinen Unsinn. Gut.
Brie beantwortet noch einige andere Mails, bis sie von einem Anruf ihrer Assistentin unterbrochen wird. Ein Gerichtstermin steht an.
Ich verlasse Brie, die auch allein für Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen kann, und umrunde ein ums andere Mal Kittys Apartmentblock. Da kommt Hicks. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn er mit einem Blumenstrauß angerückt wäre. Meine Schwiegermutter zieht Geschenke an wie andere Frauen Mücken. Sie hat einen ganzen Wandschrank voll Tributgaben: hohe schlanke Flaschen exquisiter Öle, Geschirrtücher aus ägyptischer Baumwolle in allen Farben des Regenbogens, Ratgeber mit markigen Sprüchen, die sie nie lesen wird, florentinisches Briefpapier, Skalps ihrer Feinde.
»Detective«, sagt sie. »Lernen wir uns endlich kennen.« Kitty Katz führt Hicks ins Wohnzimmer.
Ich sehe eine überladene Manhattaner Eigentumswohnung, perfektionistisch, ohne Leben. Aber