Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben
teilhaben lässt.« Warum erkannten die Männer nicht, dass für Frauen – zumindest für alle Frauen, die ich kannte – Gespräche und ein, zwei miteinander geteilte geheime Wahrheiten das ultimative Aphrodisiakum sind? Luke hatte das begriffen. Warum begriff mein Ehemann das nicht? Oder teilte er seine Träume, Hoffnungen, Ängste und lustigen Einsichten nur mit anderen Frauen?
»Wir reden doch die ganze Zeit«, sagte Barry.
»Nein, tun wir nicht«, entgegnete ich müde. »Ich weiß nicht mehr, wann wir zuletzt ein echtes Gespräch geführt haben, in dem es nicht um deine Arbeit oder Annabel ging oder darum, ob das Steak blutig oder medium gebraten sein soll.«
»Ach, komm. Jetzt redest du Unsinn. Gib mir eine Chance.«
»Das könnte eine Weile dauern«, sagte ich. Seelenqual war es definitiv nicht, was ich in Barrys Gesicht sah, dachte ich, zumindest jetzt nicht mehr. Hatte er etwa Angst, dass seine Fassade einstürzen könnte?
Und dann war ich plötzlich so unendlich erschöpft, dass ich kein einziges Wort mehr sagen oder anhören konnte. Ein paar Häuserblocks entfernt ertönte der Glockenschlag einer Kirche. Es war ein Uhr. Ich stand auf und griff nach meinem Kissen. »Ich schlafe im Gästezimmer«, sagte ich. Barry hielt mich nicht zurück.
Ich wachte vom Duft nach frisch gebrühtem Haselnusskaffee auf. Barry stand mit zwei dampfenden Bechern neben mir. »Guten Morgen«, sagte er und küsste mich sanft auf die Wange. Sein Haar war noch feucht von der Dusche, und in seinem Gesicht erkannte ich den College-Studenten wieder, den ich vor fast fünfzehn Jahren kennengelernt hatte.
»Wir müssen eine Therapie machen.« Das purzelte völlig unerwartet aus mir heraus. »Ich habe von einer Eheberaterin gehört, die wirklich gut sein soll.« Ich hatte Felicia Staffords Adresse und Telefonnummer schon seit über einem Jahr in meiner Brieftasche.
»Wenn es das ist, was du willst, bin ich dabei«, sagte Barry. »Und jetzt schwing deinen hübschen Hintern in die Küche, oder du kriegst keinen von meinen Pfannkuchen ab.«
29
Koi oder Kind?
»Ich habe mich entschieden«, sagt Brie. »Ich will ein Kind.«
Isadora, deren Gesicht sich in den Glasfronten der Küchenschränke spiegelt, verzieht keine Miene. Sie dreht sich nicht um zu Brie. »Was macht dich so sicher, dass du eine gute Mutter sein wirst?«
»Absolut gar nichts«, gibt Brie zu.
Ach, wenn Brie, so wie ich, nur wüsste, dass sie die beste aller Mütter wäre. Vor meinem Tod haben Barry und ich eine Weile diskutiert, wen wir für den Fall der Fälle als Annabels gesetzlichen Vormund einsetzen wollen, und Brie war meine erste Wahl. Ich hätte noch viel nachdrücklicher für sie plädiert, wenn diese Entscheidung meine Eltern und Lucy nicht verletzt hätte. Ich kann mir zwar keinen besseren Vormund für meine Tochter vorstellen als meine Eltern, doch sie wohnen viel zu weit weg. Und Lucy? Die ist zwar Expertin in frühkindlicher Entwicklung, aber nach einem Jahr mit meiner Schwester wäre Annabel reif für eine Psychotherapie statt für den Ballettunterricht.
Barry wollte, dass Kitty Annabels Vormund wird – »dann könnte Annabels Leben weitergehen wie bisher«. Stimmt, nur dass Kitty sie schon in eine Diätklinik eingewiesen hätte, noch ehe sie ihren ersten Oreo-Keks verdaut hatte – und vermutlich jeden Beweis dafür vernichten würde, dass ich Annabels Mutter bin. Und so war die Vormundschaftsfrage nicht entschieden worden. Wie so vieles.
»Was für eine Mutter wärst du selbst denn?«, fragt Brie.
Isadora stellt zwei schwarze Teller auf den Küchentresen mit der polierten Steinplatte, an dem Brie sitzt. Aus einem Drahtkorb nimmt sie sich eine große Orange und beginnt sie mit einem scharfen, perlmuttverzierten Messer zu schälen. Die Schale verströmt einen frischen Zitrusduft und wird zu einem immer längeren Band, während Isadora sie mit präziser Kunstfertigkeit abtrennt.»Eine schreckliche Mutter«, sagt sie. »Ich bin perfektionistisch, schwierig, ungeduldig. Liebst du mich nicht gerade deshalb?«
»Jetzt mal im Ernst, Isadora. Du hörst nicht zu. Ich will ein Kind.«
Isadora nimmt die geschälte Orange fein säuberlich auseinander und schneidet sie in mundgerechte Stücke, ein amüsiertes Lächeln im alterslosen, ebenmäßigen Gesicht. »Hast du vor, nach Malawi zu jetten und einer am Hungertuch nagenden Frau eins aus dem Bauch zu reißen?«
»Ich will schwanger werden. Das heißt, falls nicht
du
unser Kind austragen
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