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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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nicht.« Isadora macht einen so harten Einschnitt nach jedem Satz, als würde sie einen Rosenbusch beschneiden.
    Ich habe für Isadora nie etwas empfunden außer Neid; doch als ich versuche, wenigstens jetzt etwas Mitleid für sie aufzubringen, piept mein Bullshit-Detektor ohrenbetäubend los. Diese elende Lügnerin! Nicht wegen der Sache mit Pedro   – Isadora war verheiratet, einmal, vierzehn Monate lang. Aber es gab nie ein Kind, nicht mal in Isadoras Gedanken oder in Pedros Kopf, der zugedröhnt war mit Kokain. Am liebsten würde ich Brie bei den Schultern packen und sie schütteln, ihr ein barsches »Wach auf!« zurufen, eine warnende Himmels- E-Mail absetzen.
    »Aber Schatz«, sagt Brie betroffen, »warum hast du mir davon denn nie erzählt?«
    Isadora schlägt die Augen nieder, als koste es sie enorme Selbstherrschung, die Würde zu wahren.
    »Warum hast du mir das verschwiegen?«, fragt Brie und nimmt Isadoras Hand.
    Die Isadora ihr wieder entzieht.
    Ohne ein weiteres Wort und ohne einen Schluck warmen, beruhigenden Sake beenden sie ihr Essen. Brie zahlt die Rechnung, die astronomisch ist. Ich folge ihnen nach Hause. Isadora geht direkt ins Bett, während Brie noch bis drei Uhr nachts aufbleibt; die Gedanken rasen ihr nur so durch den Kopf. Warum nur kann ich kein tanzender Mondstrahl sein, der sie zur Wahrheit hinführt? Wenigstens in ihren Träumen würde ich Brie gern warnen, doch Bob erinnert mich daran, dass ein solches Verhalten gegen die ungeschriebenen Statuten der Ewigkeiten verstößt und ich all meine Kräfte einbüßen würde, wenn ich sie missachte. Mein Verdienst ist es also nicht, das Gespräch zwischen Brie und Isadora in der folgenden Woche.
     
    »Ich habe eine Entscheidung getroffen«, verkündet Brie. Es ist Mitternacht. Seit vier Tagen und Nächten regnet es ununterbrochen. »Ich will in einer Beziehung leben, in der ein Kind zu haben wenigstens eine Möglichkeit ist.« Sie äußert diese Worte mit großer Zärtlichkeit, nachdem sie nächtelang nicht geschlafen hat.
    Isadora akzeptiert die Neuigkeit, ohne eine Szene zu machen, aber diesmal habe ich Mitleid mit dieser Frau, die alles auf eine Karte gesetzt und verloren hat. Ich habe ihr ins Herz gesehen und glaube, dass sie Brie wirklich liebt. Doch jetzt wird Isadora nach einer anderen, noch perfekteren Hedonistin suchen müssen.
    Als Brie am nächsten Tag aus dem Büro kommt, ist Isadora ausgezogen, mitsamt ihrer ansehnlichen Sammlung von Büchern über die Kunst des 20.   Jahrhunderts, frühen Jazz und zeitgenössische Architektur, ihren herrlichen Handtaschen und handgenähten Schuhen, ihren Fendi-Pelzen und vierkarätigen Diamantohrsteckern, ihren eleganten Obstmessern und dem schwarzen Porzellan. Briehat jetzt zweimal so viel Stauraum und eine noch viel größere Leere in ihrem Herzen, doch sie wirft keinen Blick zurück. »Mol ly «, sagt sie laut, denn jetzt ist keiner mehr da, der sie hört und ihr vorwirft, sie sei ja
loca.
»Ich spüre, dass du mich führst.«
    Tut mir leid, aber da irrt sie sich. Diese Entscheidung hat sie ganz allein getroffen.
    Kurze Zeit später rettet Brie den niedlichen Jones, einen einjährigen schokoladenbraunen Labrador, und in null Komma nichts ist ihre Wohnung angefüllt mit quietschendem Spielzeug, Bio-Hundefutter und schlabbrigen Hundeküssen.

30
Jeder bleibt bei seiner Version
    »Gehen wir das noch einmal durch«, sagt Hicks. »Ihre Beziehung zu Molly Marx war   –«
    »Kollegial.«
    »Und?«
    »Na gut, okay, auch privat – eine Zeitlang, mal ja, mal nein – aber alle   …«, Luke sucht nach dem richtigen Wort, »…   alle Intimität zwischen uns war längst vorbei, als sie starb.«
    Intimfeind, Intoleranz, Intifada, Intimität. Könnte Luke das, was zwischen uns gewesen ist, vielleicht noch ein bisschen kälter und hässlicher ausdrücken?
    »Mr.   Delaney, das ist Ihre Version der Geschichte, und ich weiß, dass Sie dabei bleiben wollen. Aber der letzte Anruf, den Mrs.   Marx angenommen hat, kam nun mal von Ihnen. Und ich will Sie gern noch mal darauf hinweisen, dass auch eine Halbwahrheit immer eine ganze Lüge ist.«
Dieser Typ verschweigt etwas,
höre ich Hicks denken.
Irgendwas stimmt da nicht.
»Worüber haben Sie an dem Tag mit ihr gesprochen?«
    »Ich erinnere mich nicht.«
    Diese Antwort hat ihm kein Anwalt eingeflüstert. Es ist die Wahrheit. So, wie ich nicht mehr sagen kann, ob ich an meinem Todestag eine oder zwei Scheiben Toast zum Frühstück gegessen habe, so hat Luke

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