Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben
möchtest.«
»Hast du völlig den Verstand verloren?« Isadoras Zähne gefallen mir wirklich – klein, gerade, weiß wie Porzellan. Sie lacht so lange, dass ich jeden einzelnen eingehend inspizieren kann.
»Du bist nicht zu alt – du bist erst neununddreißig.«
»Das ist das geringste Problem. Aber ich würde mir eher ohne Betäubung Fett absaugen lassen. Die Spezies wird sich leider ohne meine Unterstützung fortpflanzen müssen.«
»Dann übernehme ich die Schwangerschaft – mit deiner Eizelle, wenn du willst. Ich könnte sie mir in die Gebärmutter einpflanzen lassen. So was wird dauernd gemacht.« Ja, an Recherche mangelt es bei Brie nie.
»Mi amada«,
sagt Isadora, beugt sich vor und ergreift Bries festes, spitzes Kinn – von der Sorte, die gern als »eigensinnig« bezeichnet wird. »Mir gefällt unser Leben. Ausschlafen, Kurztrips nach Paris, Barcelona und Buenos Aires, ich verwöhne dich, du verwöhnst mich. Warum all das aufgeben für eine
bambina?
Und was, wenn aus der kleinen Eizelle ein Penis wächst? Siehst du mich etwa als Mutter eines Mini-Machos? Leg dich noch mal ins Bett und wach erst wieder auf, wenn du bei Verstand bist.«
Brie steht auf und spült die Teller und Kaffeebecher. Selbst ohne meine neuen Fähigkeiten kenne ich sie gut genug, um zu wissen, dass sie das Thema fallen lassen wird – vorerst. »Vielleicht leide ich nur an PMS«, sagt sie leichthin. »Du hast recht – es ist ein völligverrückter Vorschlag, eine chaotische kleine Person in unser Leben holen zu wollen.« Wirklich bemerkenswert, Brie kann solche Sätze ohne jede Spur von Sarkasmus aussprechen, während ihr Wörter wie »Luxusweib« und »träges Stück« durch den Kopf gehen. Sie weiß eben, dass man den richtigen Augenblick abwarten muss, etwas, das ich nie gelernt habe.
Und so bin ich überrascht, als Brie schon zwei Abende später das Thema erneut anschneidet. Die beiden sind zum Essen im Koi, wo die Preise genauso hoch sind wie die Restaurantdecke. Sie sitzen einander gegenüber, ihre schlanken Schenkel berühren sich leicht, und ignorieren die anderen Gäste. Was mir recht schwerfiele, denn hier muss praktisch jeder erst mal rigorose Kriterien an modischem Schick und Attraktivität erfüllen, ehe er den Mantel abgeben darf. Isadora nimmt mit den Essstäbchen eine kleine Reisrolle auf, die von sehr scharfem, sehr frischem Thunfisch – Quecksilberverseuchung hin oder her – umhüllt ist, und will Brie die Delikatesse in den Mund stecken.
Brie schiebt das Sushi weg. »Lass das mal einen Moment.«
»Keinen Hunger mehr?«
»Wir müssen unser Gespräch fortsetzen.«
»Wir müssen?«
»Okay, ich
möchte
mit dir sprechen – über das Kind.«
»Welches Kind?«
»Über das Kind, das du nicht bekommen willst.«
»Ach,
das
Kind.«
»Wir könnten eins adoptieren, aber ich möchte lieber schwanger werden«, sagt Brie. »Ich muss wenigstens versuchen, Mutter zu werden.«
Molly möchte, dass ich ein Kind habe,
höre ich sie denken. Völlig verrückt, welche Gedanken über uns wir hier in der Ewigkeit so mitbekommen, aber ich fühle mich auch ein bisschen geschmeichelt.
Isadora macht mit der Aubergine weiter, deren glänzende purpurschwarze Haut der Farbe ihrer unergründlichen Augenentspricht. Als die Aubergine verschwunden ist, schwankt sie unentschlossen zwischen Hummerschwanz in Sesamkruste, sautiertem Spargel und Shiitake-Pilzen, wobei sie sich genießerisch mit der Zunge über die vollen Lippen fährt.
»Willst du nicht mit mir reden?«, fragt Brie. Anscheinend nicht. Isadora ist ein Barry im Frauenfummel.
»Was gibt’s da zu reden?«, sagt Isadora endlich. »Du kennst meine Meinung. Ich diskutiere nicht und ich rechtfertige mich auch nicht. Ich habe dir nie etwas vorgemacht. So bin ich eben. Also, entweder ich oder dieses Phantasiekind. Entscheide dich, mein Schatz.«
»Willst du nicht mal darüber nachdenken?«, fragt Brie mit samtweicher Stimme.
Isadora legt ihre Essstäbchen hin und sieht Brie in die Augen. »Ich hatte mal eine Tochter«, sagt sie. »In meiner Ehe mit Pedro. Hätte sie überlebt, wäre sie heute zwanzig. Dieses
bebe
hat mich in jeder Hinsicht zerrissen, zerstört. Das war eine verdammt schmerzliche Erfahrung, und ich habe jedes Recht, jetzt als Hedonistin zu leben. Ich will dieses dekadente Leben, jeden Tag aufwachen und mich fragen, was würde mich glücklich machen, was würde Sabrina glücklich machen? Ich liebe dieses Leben mit dir, mein Schatz, aber wenn nicht, dann
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