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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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Dunkelheit.
    »Oder du mir?«, fragte Barry einen Augenblick später vom anderen Ende des Bettes in leisem, beherrschtem Tonfall zurück.
    Dass ich absolut sauer auf dich bin, weil du mich ständig enttäuschst, dass ich aber mein Recht, dir das vorzuwerfen, verwirkt habe, weil ich mich selbst wie eine Hure aufführe und deshalb vor Schuldgefühlen über mein entsetzliches Verhalten fast sterbe – nein, lieber: explodiere.
    »Möchtest du etwa hören, dass ich sehr genau weiß, dass du nicht allein in San Francisco warst?«, war alles, was ich sagte. Ich hasste mich selbst dafür, dass ich es wagte, Barry Vorwürfe zu machen, zumal ich in dieser Sache nicht mal hundertprozentig sicher war.
    »Also wirklich! Wenn du die Patientin meinst, mit der ich den Vortrag geprobt habe – sie ist nur eine Freundin«, erwiderte er prompt, als hätte er mit einem Angriff gerechnet. »Sie hat in San Francisco ihren Bruder besucht. Ich fand, dass ich mich bedanken sollte. Deshalb bin ich mit ihr essen gegangen.«
    Ich beschloss, die Bombe platzen zu lassen. »Eins von vielen Essen, wie ich der American-Express-Abrechnung des letzten Jahresentnehme. Fasziniert haben mich vor allem die Ausgaben in Bars an den Abenden, an denen du angeblich im Obdachlosenasyl der Synagoge geholfen hast. Gab es da vielleicht eine Aktion Nimm-einen-Penner-mit-ins-Ritz-Carlton?«
    »Ich weiß genau, warum du das Gespräch darauf bringst. Du willst bloß von dir ablenken«, sagte Barry trocken, »und von dem, was hier am Wochenende los war.«
    »Wie bitte?«
    »Du weißt, wovon ich spreche.«
    Was wusste er und seit wann wusste er es? Hatte er vielleicht Alphonso, den Pförtner, auf seiner Lohnliste?
    »Du wolltest doch reden«, erwiderte ich. »Dann tu’s auch. Es sei denn, du willst gleich mit deinen Handyrechnungen weitermachen.«
    Draußen hörte ich Hundegebell. In unserem Schlafzimmer dagegen herrschte Stille, mal abgesehen von der Wut und den Schuldgefühlen, die in mir tobten. Barry. Luke. Luke. Barry. Bislang hatte ich diese Teile meines Lebens säuberlich voneinander getrennt gehalten, doch jetzt waren die Dämme gebrochen. Nach einer Weile – ob es fünf Minuten waren oder eine Viertelstunde, kann ich nicht sagen – machte Barry seine Lampe an, ging an den Kleiderschrank und zog aus einer Manteltasche ein Päckchen Zigaretten. Er setzte sich auf die Bettkante, zündete sich eine an, inhalierte und blies den bläulichen Rauch ins dämmrige Licht.
    »Ich wusste gar nicht, dass du wieder angefangen hast zu rauchen.«
    »Es gibt so vieles, was du nicht weißt«, sagte er und lachte. »Zum Beispiel, dass sich mir dauernd Frauen an den Hals werfen. Patientinnen, Wildfremde, Freundinnen von dir.«
    »Du armer, wehrloser Kerl.«
    »Manchmal gehe ich darauf ein, zugegeben. Aber, und darauf kommt es an – es bedeutet nichts. Weniger als nichts. Null.«
    »Willst du mir erzählen, dass deine Affären mit anderen Frauennur so eine Art unkontrollierbarer Tick sind, so wie andere mit den Knöcheln knacken?« Ich versuchte, mit meiner Empörung den ganzen Raum zu füllen und die Stimme meines anderen Ich zu verdrängen, die der kerzengerade dasitzenden, selbstgerechten Ehefrau laut
Heuchlerin
zurief. Dass Luke mir etwas bedeutete, dass ich glaubte, ihn zu lieben – machte das irgendetwas besser oder anders? Ich begann zu zittern, Tränen fielen auf die Bettdecke.
    Barry drückte seine Zigarette in dem kleinen Silberteller aus, der immer auf seinem Nachttisch stand, kam zu mir, schloss mich in die Arme und räusperte sich. »Du musst eins wissen. Du bist alles für mich«, sagte er. »Nein, ich korrigiere: du und Annabel.« Er strich mir übers Haar. »Vielleicht bin ich nicht der Ehemann, der ich sein sollte. Nein, ich korrigiere noch mal: Ich
bin
nicht der Ehemann, der ich sein sollte. Ich bin ein Schmock gewesen. Und ich will nur eins wissen: Kannst du mir verzeihen?«
    Auf diese Beichte war ich genauso wenig vorbereitet wie auf eine Leibesvisitation in der Reinigung um die Ecke. Waren seine Worte hohl oder ernst, wahr oder falsch, Hinhaltetaktik oder wundersamer Durchbruch?
    »Ich weiß ja nicht mal, was genau ich dir verzeihen soll«, erwiderte ich. Ein Schluckauf quälte mich.
    »Frag mich nicht nach Details«, sagte er. »Sag mir einfach nur, was du willst, und ich werde es tun.«
    Ich glaube, ich habe so etwas wie Seelenqual in Barrys Gesicht gesehen. »Ich will, dass du mit mir redest«, bat ich. »Dass du mich an dem, was in dir vorgeht,

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