Ich muss dir etwas sagen
und nutzte sie sehr gut.
Kevins Situation war ein wenig anders. Er war Arzt und
Partner in einer Gemeinschaftspraxis mehrerer
Schönheitschirurgen. Er hatte kein Geld verloren, er hatte es gestohlen. Er zahlte es zwar zurück, bevor irgend jemand bemerkte, daß es fehlte, aber er hatte dennoch Diebstahl
begangen. Kevin befand sich zu jener Zeit gerade in einer
kostspieligen Scheidung. Er brauchte dringend Bargeld und
geriet in Panik. Er wollte über die ganze Sache hinweggehen, ohne ein Wort darüber zu verlieren, weil die Bücher später wieder ausgeglichen sein würden. Allerdings nagte eine äußerst unangenehme Befürchtung an ihm, daß nämlich ein pingeliger Rechnungsprüfer bei der Buchprüfung darauf stoßen könnte und begriff, was geschehen war. Besser in den sauren Apfel beißen und beichten, bevor ein Dritter dahinterkam. Kevin schrieb einen ausgezeichneten Brief.
Noch ein guter Brief
„In unserem Beruf haben Vertrauen und Glaubwürdigkeit eine herausragende Bedeutung. In einer Gemeinschaftspraxis wie der unseren ist es unerläßlich, sich auf einander verlassen zu
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können. Ich bin daher sehr bestürzt, dieses Geständnis machen zu müssen. Ich hoffe, Ihr werdet mir vergeben, würde es jedoch durchaus verstehen, wenn Euch das einfach nicht möglich wäre.
Ich hoffe nur, daß wir, wenn Ihr diese Worte gelesen habt, die Gelegenheit haben, darüber zu reden, und daß wir alle
Schwierigkeiten Eurerseits „durcharbeiten” können und die Chance haben, die Sache in Ordnung zu bringen - d. h. wenn wir überhaupt noch eine Chance haben. Um auf den Kern zu kommen - es gibt keine andere Art, es auszudrücken -, als zu sagen, ich habe Euch Geld gestohlen. Ich habe es zwar
inzwischen wieder zurückgegeben, aber gestohlen habe ich es dennoch. Ihr wißt alle von meiner Scheidung und der Hölle, die ich damals durchmachte, aber Ihr wißt nicht, wieviel Angst ich hatte und wie verzweifelt ich war. Kate riß sich alles unter den Nagel, was sie nur kriegen konnte, und ich war einfach nicht liquide. Ich will damit meine Tat nicht entschuldigen, ich hoffe vielmehr, daß es uns leichter fällt, das Vertrauen
wiederherzustellen, wenn Ihr den Kontext kennt. So habe ich mir selber einen Scheck über 57.000 Dollar ausgestellt, so als würde ich neue Geräte für unsere Praxis kaufen. Neun Monate später, als meine Situation sich in dieser Hinsicht geklärt hatte, konnte ich ein Darlehen über diesen Betrag aufnehmen und alles zurückzahlen.
Aber ich habe Euch bestohlen, und vielleicht genauso schlimm wie dieser Vertrauensbruch ist die Tatsache, daß ich Euch mein Vertrauen vorenthalten habe, indem ich über meine Lage geschwiegen und Euch nicht um Hilfe gebeten habe. Wenn Ihr es wünscht - wofür ich durchaus Verständnis hätte - werde ich zu dem Zeitpunkt aus unserer Praxis aussteigen, der Euch am besten paßt. Aber ich hoffe, daß Ihr mich nicht darum bittet. Ich will der Frage nicht ausweichen: Dieser Typ hat einmal gestohlen, was sollte ihn also daran hindern, es noch einmal zu tun? Und wenn er schon stiehlt, welche anderen Regeln bricht er außerdem, wenn ihm das gerade paßt? Ich weiß ehrlich
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gesagt nicht, wie ich reagieren soll. Ich kann nur sagen, daß ich noch nie zuvor so etwas getan habe, und angesichts der Tatsache, wie enorm schlecht ich mich jetzt fühle, kann ich mir nicht vorstellen, wieder jemals so etwas zu tun. Aus diesem Grund glaube ich, daß wir darüber reden sollten. Vielleicht habt Ihr Fragen und wollt feststellen, ob meine Verfehlung einmalig war oder nicht. Ich möchte hier nur sagen, daß ich bereit bin, alles Notwendige zu tun, um Euer Vertrauen wiederzugewinnen, und daß ich sehr hoffe, daß dies trotz allem noch möglich ist.
Bitte vergebt mir, daß ich Euch bestohlen habe.”
Wiederum sind alle essentiellen Elemente vorhanden. Kevin
hielt nichts geheim und versuchte keine Tricks. Er spielte seinen Fehltritt nicht herunter oder die Auswirkungen, die das auf seine Kollegen haben könnte. Er versuchte nicht, sich zu rechtfertigen, obwohl er eine Erklärung bot. Er machte klar, wie leid es ihm tat, und sagte, was er sich für die Zukunft wünschte.
Dieser Geschichte folgte eine interessante Wendung. Vier der fünf Ärzte waren, nachdem sie über den ersten Schock und
Ärger hinweg waren, sehr dafür, daß Kevin bei ihnen blieb.
Einer wollte unbedingt, daß Kevin ging, und war nicht vom
Gegenteil zu überzeugen. Kevin blieb, und ein Jahr später
verließ
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