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Ich muss Sie küssen, Miss Dove

Titel: Ich muss Sie küssen, Miss Dove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lee
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ohne Anstandsdame spazieren zu gehen; vorausgesetzt, man kannte sich mindestens schon ein paar Jahre, die Frau war auf dem Nachhauseweg von der Arbeit und sie konnte sich des guten, anständigen Charakters ihres Begleiters absolut sicher sein. Verheiratete Damen, so schien es, hatten weniger Freiheiten als Junggesellinnen, denn bis sie dreißig waren, durften sie keinen Schritt ohne ihre Anstandsdame tun.
    Mrs. Bartleby vernachlässigte auch die Vertreter des männlichen Geschlechts nicht in ihrer wöchentlichen Kolumne. Sie wusste, wo ein Gentleman die bestgemachten, bequemsten Stiefel finden konnte. Sie wusste, bei welchem Tabakwarenhändler es die besten Zigarren gab, die die Gentlemen dann aber natürlich draußen rauchen sollten, wenn sie bitte so freundlich wären. Sie verteidigte standhaft abnehmbare Hemdkragen und Manschetten, weil sie eine äußerst vernünftige Erfindung für unverheiratete, berufstätige Herren waren, verabscheute aber zutiefst Manschettenschoner. Nicht einmal der ärmste Angestellte sollte so etwas tragen müssen.
    Die Worte „Mrs. Bartleby sagt ..." fielen in so vielen Gesprächen, dass Harry das Gefühl hatte, er würde den Verstand verlieren, wenn er sie noch ein einziges Mal zu hören bekam.
    Zusätzlich zu dieser unerwarteten und ziemlich abscheulichen Entwicklung war es Harry nicht gelungen, einen zufriedenstellenden Ersatz für Miss Dove zu finden. Am Tag nach der Auseinandersetzung in ihrer Wohnung hatte er eine Agentur angerufen, und seitdem war eine ganze Reihe von Sekretären bei ihm vorstellig geworden. Immer wieder hatte man ihm jemanden mit großer Erfahrung angekündigt, trotzdem war meist irgendetwas nicht in Ordnung. Einer nahm Diktate mit der Geschwindigkeit einer Schildkröte auf, einem anderen wollte es partout nicht in den Kopf gehen, dass Harry statt Tee lieber Kaffee ohne Milch und Zucker trank, und wieder ein anderer schaffte es nicht, die Übersicht über Harrys Termine zu behalten. Letzteres war besonders schlimm, da Harry seinen Terminkalender nicht mehr finden konnte. Bei Miss Dove wäre dieser Verlust kein Problem gewesen, da sie immer den Überblick darüber gehabt hatte, wann er wo sein musste, aber in dieser Hinsicht waren ihre Nachfolger hoffnungslos.
    Den Letzten, einen Typen namens Quinn, hielt Harry für den Schlimmsten von allen. Er hatte die irritierende Angewohnheit, jedes Mal wie ein geprügelter Hund den Kopf hängen zulassen, wenn man ihn auf einen Fehler aufmerksam machte. Aber weil es Harry und seinen Angestellten allmählich zu anstrengend geworden war, jeden zweiten Tag einen neuen Sekretär immer wieder in dieselben Abläufe einzuweisen, hatte Harry widerstrebend Quinn als vorübergehenden Ersatz eingestellt. Doch als die Tage des Mai verstrichen und Mrs. Bartlebys Beliebtheit immer größer wurde, begann Harry zu befürchten, dass er sich mit dem Gedanken befreunden musste, Quinn möglicherweise für eine längere Zeit zu beschäftigen.
    Und als ob das alles nicht schon mühsam genug gewesen wäre, hatten die Damen in seinem eigenen Haushalt die Fahrt nach Chelsea und Mrs. Bartlebys weitere Ratschläge so erfreulich gefunden, dass sie sich jetzt jeden Samstagmorgen die Kolumne am Frühstückstisch gegenseitig laut vorlasen. Sie planten ihr Leben mittlerweile nur noch um das, was Miss Doves erfundenes literarisches Gegenstück gerade zum Thema hatte, und gaben Harrys Geld für Dinge aus, die Mrs. Bartleby ihnen zu kaufen empfahl.
    „Diana, die heutige Kolumne könnte eigens für dich geschrieben worden sein." Louisa raschelte mit der Zeitung in ihren Händen. „Heute spricht Mrs. Bartleby darüber, wie man ein Hochzeitsfrühstück ausrichtet."
    Diese Neuigkeit wurde mit den Jubelrufen aller am Tisch sitzenden Damen begrüßt. Harry, der mit dem Gedanken spielte, das Zeitunglesen beim Frühstück zu verbieten, starrte finster auf seinen Teller mit Rührei und Speck und fragte sich, ob er künftig samstags nicht lieber in seinem Club frühstücken sollte.
    „,Frühstücke im Stehen sind dieses Jahr ziemlich in Mode", las seine Mutter vor, „,obwohl dafür eine besondere Speisenfolge erforderlich ist.' Hm ... keine heißen Zwischengerichte, natürlich. Krabbenwindbeutel und Leberpastete als Vorspeisen, eine eisgekühlte Tomatensuppe, zum Trinken in Teetassen serviert. Auf die Art brauchen die Gäste sich nicht mit Löffeln abmühen, wenn sie im Raum umherlaufen — was für eine geniale Idee! Und so klug!"
    Harry verdrehte unwillkürlich

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