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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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Einschätzung der Kripo war allen Verdächtigen auch eine solche Tat zuzutrauen, sie hatten entsprechende »Vorerkenntnisse«. Aber als die Ergebnisse der Blutuntersuchung vorlagen, gab es plötzlich keinen Verdächtigen mehr. Zwar hatte ein Überprüfter die Blutgruppe 0, aber er war »Nichtausscheider«. Er konnte Martha Höller demnach nicht umgebracht haben, weil die serologischen Untersuchungen ergeben hatten, dass der Mörder »die Blutgruppensubstanz in seinen Körpersekreten ausscheidet«.
    Nach monatelangen Ermittlungen wusste man über den Täter nur so viel: seine Zigarettenmarke und die Blutgruppe. Das war zu wenig. Die Ermittlungen mussten eingestellt werden, der erhebliche Aufwand ließ sich nicht mehr länger rechtfertigen. Der Mord an Martha Höller blieb ungesühnt.

31
                        
                       Im Frühjahr 1970, nachdem die Mannesmannröhren-Werke AG und die Thyssen AG einen Kooperationsvertrag geschlossen hatten, bot man ihm einen neuen Job an. Es war eine Tätigkeit, die zu ihm passte: Er benötigte keine Qualifikationen, und er konnte nicht viel falsch machen. Seine Aufgabe sollte es sein, die Waschkaue des Betriebs in Schuss zu halten.
    Bis dahin hatte er immer nur die Dreckarbeit erledigen müssen, war herumkommandiert und herumgeschubst worden. Das hatte ihn geärgert und gekränkt. Aber ihm war nichts anderes übrig geblieben, als eine Faust in der Tasche zu machen, den bitter schmeckenden Frust herunterzuwürgen und das zu tun, wofür sich andere zu schade waren. Doch als Waschraumwärter wäre er sich weitestgehend selbst überlassen. Und diese Vorstellung behagte ihm, auch wenn er als Putz- und Klomann in der Firmenhierarchie ganz unten angekommen war. Er schlug ein, 1400 Mark netto betrug sein Monatslohn.
    Fortan putzte er Türen und Fenster, reinigte Duschen, Waschbecken, Toiletten, Spinde und schrubbte den Boden im »Zitronenbunker«. Seine Arbeitskleidung bestand aus einem Paar schwarzer Gummistiefel und einer schwarzen Gummischürze – ob Früh-, Spät- oder Nachtschicht, er war immer pünktlich, und er war immer gut gelaunt. Jedenfalls interpretierten viele Kollegen sein »dämliches Grinsen« so, wenn er ihnen nach der Schicht über den Weg lief. Für andere war er einfach nur unangebracht »scheißfreundlich«. Obwohl er seine Arbeit nahezu unbeaufsichtigt erledigen durfte und glaubte, die ungeliebte Rolle des Lückenbüßers losgeworden zu sein, spielte er für seine Kumpel nach wie vor das unterwürfige Faktotum.
    Er war jetzt 37 und verglich sich mit seinen Brüdern, Arbeitskollegen oder Bekannten. Die waren größtenteils verheiratet oder hatten eine Freundin, und sie konnten ihre Sexualität ausleben. Er hingegen war immer leer ausgegangen, musste sich mit Puppen begnügen, seinen bizarren Phantasien hinterherhecheln, Kindern und Frauen Gewalt antun, ihr Leben auslöschen. Mittlerweile hatte er akzeptiert, dass er mit erwachsenen Frauen nicht zurechtkommen würde, aber auf körperliche Nähe und Intimitäten wollte er dennoch nicht gänzlich verzichten.
    Mehr als 20 Jahre lang hatte er gegen seine imposanten Versagensängste aufbegehrt, sich auch sporadisch aufgelehnt, war aber doch immer wieder grandios gescheitert. Und genauso lange hatte er darüber nachgegrübelt, wie er diesem Dilemma entkommen könnte. Schließlich hatte sich doch etwas ereignet, das ihm zu denken gab. Es brauchte eine ganze Weile, bis er verstand, warum ihm die Morde an den Mädchen in der Nähe von Wuppertal und Bottrop nicht aus dem Kopf gehen wollten. Es war anders gewesen als sonst. Er hatte sie nicht gefragt, ob sie mit ihm »poppen« wollten, und er hatte sie auch nicht wortlos angegriffen. Ihm war es gelungen, insbesondere das kleine Mädchen, das er später ertrinken ließ, in seinem Sinne zu beeinflussen, an einen Ort zu locken, wo er sich an ihm vergehen konnte – mit einer simplen Geschichte, mit einfachen Worten. Und genau diese Erfahrung wollte er sich künftig zunutze machen.
    Im Sommer 1970 begann er damit, sich insbesondere an Spielplätzen, Freibädern oder Kindergärten herumzutreiben. Er wollte nur solche Mädchen ansprechen, die sich mit ihm unterhalten konnten und von denen keine Hänseleien zu befürchten waren, wenn es nicht klappen sollte: sexuell unerfahrene Kinder im Alter von vier bis zehn Jahren. Allerdings sollten sie schlank sein und lange Haare haben.
    Und tatsächlich gelang es ihm, Mädchen so zu manipulieren,

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