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Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Titel: Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Rautenberg
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übersehen, oder was Schlechtes ist in der Zwischenzeit zu einer sprichwörtlichen Köstlichkeit gereift. Dem war– o Wunder!– aber nicht so. Stattdessen stellte ich sehr schnell fest: Aufgewärmt schmeckt nur Gulasch. Und Lasagne.
    Es kann also nicht darum gehen, dass ich Moritz zurückwill. Will ich nämlich auch gar nicht. Die Erkenntnis küsst mich in dem Moment, in dem ich die Tiefkühlerbsen mit einem satten Krachen aus der eisigen Umarmung löse. Und wenn ich Moritz nicht zurückwill, dann kann es nur noch darum gehen, dass es eben einfach und grundsätzlich seltsam ist, wenn man einen Exfreund wiedertrifft. Man sieht, er hat sich verändert, trägt einen Schnauzbart, eine neue Brille oder ein Baby im Arm, er sieht aus wie er selbst, aber doch irgendwie anders, weil die Zeit ja auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen ist, sondern weil er weitergegangen ist, sich im besten Fall weiterentwickelt hat, weitergelebt und weitergedacht hat, und man selbst blendet in diesem Moment des Wiedersehens vollkommen aus, dass es dem anderen ja genauso geht, wenn er einen sieht. Stattdessen denkt man: Au Scheiße, bei dem ging’s weiter, und ich kauf meine Brille immer noch bei Fielmann.
    Es geht also gar nicht um Moritz. Es geht um das befremdliche Gefühl, etwas, das einmal zu einem gehört und das man gehen gelassen hat, wiederzusehen. Und plötzlich schwappt die Erinnerung an damals, sei sie romantisch verklärt, sei sie wutverzerrt, wieder hoch und lullt einen ein, und man fragt sich: Wenn ich noch mit ihm zusammen wäre, trüge er dann unser Baby auf dem Arm? Hätte ich ihm diese hässlichen Turnschuhe ausreden können? Würden wir heute zu dieser Zeit auch im Starbucks stehen, und würdest du für mich einen Hazelnut Mocha Frappuccino Medium bestellen und dich ärgern, dass es in Etablissements wie diesen keinen ganz normalen Kaffee für dich gibt, weder in Tassen noch in Kännchen?
    Das müsste Konrad doch eigentlich am allerbesten wissen. Konrad, der mir hoffentlich nicht böse ist, weil ich in seine Fußstapfen trete.
    Die letzte Ecke Eis beugt sich ihrem Schicksal. Mein Tiefkühlfach ist eisfrei, meine Gedanken sind sortiert. Ich bin, zum ersten Mal seit Tagen, ruhig. Endlich.

…tanzen die Mäuse auf den Tischen
    Donnerstag, 11 . August, um 21 : 31 Uhr
    Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich endlich Taten sehen. Die Vergangenheit soll schließlich ein Sprungbrett und kein Sofa sein. Mich hat schon lange genug beschäftigt, was mich nicht beschäftigen sollte und was ohnehin vollkommen obsolet ist, denn the time is now und wir leben im So-isses und nicht im Wünsch-dir-was. Genau.
    » Good Morning, Miss!«, kam mir gestern Morgen Tagalog entgegen. Ich lächelte sie an, was sie erschreckte. Zur Wiedergutmachung erlaubte ich ihr, den Badezimmerschrank auszuwischen.
    Gegen Mittag begann es in meinem Bauch, der in den letzten Tagen nur immaterielle Gedankennahrung von mir bekommen hatte, zu rumoren. Aha, die Liebe geht also wirklich durch den Magen, dachte ich mir und kramte im Kühlschrank nach Lebensmitteln. Tagalog lugte mir neugierig über die Schulter.
    » Willst du mitessen?«, fragte ich sie und stellte die Tomaten raus.
    » Ts-ts-ts«, antwortete Tagalog und wedelte mit ihrem erhobenen Zeigefinger vor meiner Nase herum. » Ang berdeng pato goma ay mabagal.« Es kann aber auch sein, dass sie etwas ganz anderes sagte, ich hörte nur mit einem Ohr hin.
    Tagalog drängelte sich an mir vorbei und stieß die Kühlschranktür auf. Für ihren Fluch brauchte ich keine Übersetzung. Sie nahm die Bananen heraus und schüttete einen Eimer voller Vokale über meinem Haupte aus.
    » Jaja«, versuchte ich, sie zu beschwichtigen, » ich weiß, Bananen gehören nicht in den Kühlschrank, aber ich mag sie nun mal kalt.«
    Tagalog schüttelte missbilligend den Kopf. Dann verschwand sie wieder im Kühlschrankinneren und beförderte allerlei Dinge ans Tageslicht, die ihrer Meinung nach darin wohl nichts verloren hatten. Ich wollte protestieren, doch als sie eine Packung Lyoner aus den unendlichen Weiten hervorzog, die über einen hübschen langhaarigen Mittelscheitel verfügten, machte ich mich dünne. Die klügere Zahnbürste gibt nach.
    Nachdem Tagalog die Inventur meines Heiligtums abgeschlossen hatte, war nur noch wenig übrig. Mit einem schiefen und vorwurfsvollen Blick auf meinen Bauch beförderte sie auch die Leberwurst ins himmlische Jenseits. Ich durfte nur Hühnchenfleisch, eine angebrochene Dose Kokosmilch,

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